Ebrietas – Zürich
Montag, 4. März 2024
Text und Bilder: Christian Wölbitsch
Hinter den dicken, schwarz bemalten Steinmauern im Ebrietaskeller spielten am Montag drei Bands, die unterschiedlicher nicht sein könnten: die «Post-Kleenex» Band Elektra, wie sich die Züricher:innen selber nennen, ohne zwanghaftes Genrekostüm, dann der Fribourger Punk 5-er Cage ohne Camille, die einen Mix aus Youth Crew und Hardcore spielen, und zu guter Letzt ØJNE aus Mailand mit ihrem unverkennbaren Screamo. Für mich war es der erste Besuch im Zürcher Club, der als Mekka für harte Musik bekannt ist. Mehr als 4’600 Band’s haben in diesem Keller schon gespielt.
Die Spielzeiten der Bands waren von Anfang an klar und gerecht verteilt: alle dürfen 30 Minuten! Und, ganz wichtig! Die Farbe der Bühnenbeleuchtung durfte selbst bestimmt werden. Eine Farbe für den gesamten Auftritt, versteht sich. Wir sind ja nicht im Hallenstadion.
Elektra eröffneten den Konzertabend. Die Züricher:innen hatten ein bunt-gemischtes, feines Livemenü aus Englisch und Mundart vorbereitet. Mal laut und fetzig oder ruhig und melancholisch. Fans wurden ebenso mobilisiert. Recht so! Elektra freuten sich sichtlich auf ihren Auftritt und entsprechend gut gelaunt und fröhlich fegten sie los. Fanny, die Frontfrau, gab zu den Songs vorab einige Infos zu den Texten oder der Story, die dahinter stand. Das machte den Auftritt persönlich und lenkte die Aufmerksamkeit auf die Botschaften, die der Band am Herzen lagen. Es ist immer wieder toll zu sehen, wie sich junge Menschen für ihre Anliegen ins Zeug legen und dabei auch Spass haben.
Nach dem üblichen Umbau, Soundcheck und Lichtauswahl waren die Fribourger Cage an der Reihe. Sie waren nur zu viert auf der Bühne. Jetzt wurde es laut, sehr laut! Stefano schrie sich von der ersten bis zur letzten Sekunde die Seele aus dem Leib. Das machte einen Höllenspass. Das Publikum liess sich nicht lumpen und feierte den Auftritt entsprechend. Die Fans standen direkt vor der Bühne und waren mit der Band auf Tuchfühlung. Der eine oder andere Schluck Bier schwappte über, was bei diesem Speed auch kein Wunder war. Ich habe keine Ahnung, ob Cage eine spezielle Botschaft vermitteln wollten. Der Menge im Ebrietas Keller war’s vermutlich eh egal, sie hatten ganz einfach jede Menge Spass. Zack! Die dreissig Minuten waren futsch und die Bühne frei für ØJNE.
Kurz Zeit zum Luft und Bier oder beides holen! Obligater Soundcheck und gegen 21 Uhr war es dann soweit!
Für ØJNE – Gianluca (Vocals), Alessandro (Guitar), Jacopo (Drums) und Mario (Bass) – war der heutige Abend in Zürich der Schlusspunkt ihrer Tournee durch Deutschland, Tschechien und Österreich. Hier in Zürich, auch im Ebrietas, waren sie zuletzt vor über zehn Jahren. Screamo, so nennt sich der Musikstil, der ØJNE auszeichnet, ein Subgenre des Emo, der seinerseits wiederum in die Kategorie des Hardcore-Punks gehört. Was die Musik von ØJNE einzigartig macht, ist die unglaubliche Energie, die Verletzlichkeit und die Emotion, mit der Gianluca auf der Bühne agiert. Er beherrscht dieses Genre so sehr, dass es absolut authentisch wirkt.
Was die Band auf der Bühne zeigte, war nicht einfach nur lautes Geschrei, sondern Kompositionen, die uns berührten. Dazu trugen alle Musiker gleichermassen bei. Das Zusammenspiel der Band klappte hervorragend und der Sound war trotz der schwierigen Akustik voll in Ordnung. Und so vergingen die dreissig Minuten viel zu schnell und Gianluca Nicastro kündigte bereits den letzten Song an. Doch die Fans liessen nicht locker und holten die Band nochmals zurück. Mit «Nel migliore dei mondi possibili» als Abschiedsgeschenk liessen uns ØJNE zurück.
Ich ging nach draussen. Für einen Moment kam ich mir vor, wie in einer fremden Stadt. Die Nacht fühlte sich warm und mehr nach Milano als nach Zürich an. Was für ein abwechslungsreicher Musikabends fernab des Mainstream!
Setlist Elektra
- Gradus duruf
- Wrong Way
- Cooler Than U
- Poroes
- Boy / Girl
- Lueg zue
- Wuet im Buch
Setlist Cage
- Fleur
- Children Of The Sky *
- Where Did It All Go Wrong *
- Fucked Up *
- Night By Night
- Frizzante
- Right Brigade
- Uno *
- Parents *
* working title
Setlist Øjne
- Il tempo che ho perso
- Naufragio
- Occidente
- Tredici
- Ogni inverno
- Le vite degli altri
- Sull’altro lato del fiume
Zugaben
- Nel migliore dei mondi possibili