14. Juni 2021
Coq d’Or – Olten
Bands: Ikan Hyu / Tanya Barany / Gina Walter
Was früher alltäglich und vertraut war, das fühlte sich am Montagabend in Olten merkwürdig an. Nicht nur Gina, Tanya, Anisa und Hannah mussten sich im Coq d’Or am Bahnhof wieder akklimatisieren, auch meine Nerven vibrierten etwas stärker als sonst bei der Aussicht, nach vielen Wochen und Monaten wieder ein Konzert zu besuchen. Der Frauenstreiktag musste aber zelebriert werden und so bewegten wir uns zwar nicht auf der Strasse, aber in gedanklich und klanglich unterschiedliche Welten.
„Wonder Women Night II“ hiess die Veranstaltung im Kulturlokal, ein Gemisch aus Freude und Melancholie, Wiedersehen und Abschied. Nur noch eine Woche hält der „Güggel“ seine Türen offen, dann schliesst das kultige und liebenswürdige Lokal für immer. Umso besser, wurden die letzten Tage vom spacig-elastischen Future-Pop des Duos Ikan Hyu eingeläutet. Farbblitzer, gerappte Passagen, polternde Schlagzeugmuster und Gitarren, die eine Spur zu kitschig wirkten – die zwei Frauen hatten nach wenigen Takten das Publikum gewonnen und liessen ihre Spielfreude auf alle Anwesenden übergreifen.
Das „Zebra“ galoppierte durch den Raum, füllte alle Winkel mit Nebel und Licht, „Resonate Soulmate“, „Supernova“ oder „Overdrive“ wurden als wohlbekannte Hits gefeiert, der neue Track vom Film „Sami, Joe und ich“ erlebte seine akustische Premiere ausserhalb der Teerunde. Ein Freudenfest, bei dem Ikan Hyu Mut machten und die Zukunft formbar erscheinen liessen. Musik für die nötigen Schritte nach vorne, inklusiv und tolerant. Die dunklen Wolken waren wieder weggeblasen.
Tanya Barany eröffnete den musikalischen Teil des Abends mit weniger chaotischer Energie, ihr Dark Pop zelebrierte die schweren, dunkelschönen Momente des Lebens und der Liebe. Alleinig mit ihrer Gitarre, mit deren Klänge sie den Raum ohne Probleme ausfüllte, liess uns die Musikerin träumen, hoffen und wiederauferstehen. Zwar erklang „Last Song“ vom Album „Lights Disappear„, das Konzert hingegen war ein Neustart. Für die Künstlerin aus dem Wallis, für die versammelten Frauen und Mannen. Und auch eine Bestandsaufnahme, ein Blick auf die herrschenden Zustände.
Ob Radiohead oder Nirvana, die zwei Coversongs fügten sich gut in das Stimmungsvolle Set ein und machten auf simple Weise vor, wie man gewohnte Zustände umstülpen kann. Aus männlichen Fantasien wurde ein weibliches Gedankenspiel, wie es Gina Walter zu Beginn des Abends proklamiert hatte. Mit ihren Textblättern und den präzisen Formulierungen ausgestattet, betrat die Slam-Poetin aus Basel als erste die Bühne und zog für alle im Coq d’Or den Rahmen des Tages auf.
Die Jubiläen (Frauenstimmrecht, Frauenstreik) wurden betont, Kraft für die zukünftigen Hürden gesammelt, die Liebe zu Spaghetti bekundet, Ketchup verflucht und über die süssen Stunden der Pension nachgedacht. Witz und Wut gemeinsam, fröhliche Tränen, endlich wieder gemeinsam an einer Veranstaltung sein. Nichts ist selbstverständlich, achtet aufeinander.
Text: Michael Bohli