9. August 2019
Kaserne – Basel
Webseite: openairbs.ch
Bands: Ebony Bones / Long Tall Jefferson / Tshegue / KimBo / Kallemi
Damals hiess es noch „Viva Con Agua“, aber sonst hat sich in den zehn Jahren, in denen vor der Kaserne Basel das Open Air stattfindet, eigentlich nicht viel geändert – weiterhin versucht man, mit einem spannenden und ausgewählten Programm die musikalischen Grenzen und Horizonte in der Schweiz zu sprengen. Bekannte Namen müssen nicht sein, wichtiger ist an diesem kleinen und sehr feinen Festival die Botschaft, die Einstellung. Genau darum waren auch zum zehnten Jubiläum viele Konzerte der Veranstaltung gratis zugänglich, das Publikum wurde mit Infoständen und kreativen Möglichkeiten sensibilisiert. Und dann diese Weltreise am Freitag.
Den Freitag eröffneten nämlich die bezaubernden Kallemi in der Reithalle. Es war eine kleine Heimkehr: Das musikalische Austauschprojekt zwischen der Schweiz und Palästina gab schon sein allererstes Konzert in der Kaserne, und eigentlich sollte dieses das einzige bleiben. Zum Glück haben es sich die vier Frauen (von Basel Jasmin Albash und La Nefera) aber anders überlegt. Was hier an Folk, Indie, Perkussion, Gitarren, Rap, Synthie und Gesang auf das Publikum losgelassen wurde, fügte sich so perfekt zu einem grossen Ganzen zusammen, dass man nur noch staunen konnte. Zusammen mit einer weiteren Gastmusikerin nahmen uns Kallemi mit auf eine musikalische Weltreise voller Energie, Leidenschaft und ganz viel Talent. Das war so schön, da musste man sich fast ein Tränchen verdrücken.
Direkt in das Herz der weiblichen Schweiz rappte sich KimBo mit ihrer Begleitung Sasa. Die beiden Frauen nutzten die offene Umgebung der MIDW-Bühne, um zum letzten Sonnenschein neugierige Leute aus allen Richtungen anzulocken. Nebst Tracks von der neuen EP „Trip Infinito“ wurde der Gegenpol zu den männlichen Statussymbolen im Hip-Hop geboten, Eierstöcke erhielten ihre Plattform, der Song zum Frauenstreik durfte noch einmal auflodern. Ja, KimBo ist eine Wucht, das zeigte sie nicht nur am diesjährigen SRF-Virus-Cypher, sondern auch in Basel mit viel Bewegung und Freude. Die Zukunft ist weiblich, das wurde am Open Air Basel (nicht nur) hiermit erneut zementiert.
Ob komplett in Weiss oder doch mit einem Trenchcoat bekleidet, Tshegue und ihre Band liessen die Temperaturen in der Reithalle noch einmal merklich ansteigen. Faty Sy aus dem Kongo als Vulkanausbruch am Mikrofon, Nicolas Dacunha aus Paris als Leiter der Musiker – diese beiden führten ihre Band durch eine grosse Party zwischen World-, Tuareg- und Rock-Momente. Viel Perkussion, packender Gesang und eine unvergleichliche Energie – dieser Auftritt sorgte für ausgelassene Bewegungen und grossen Jubel in Basel, und eine neue interkulturelle Liebe. Da sprachen wir alle plötzlich doch Französisch, da war die warme Luft im Raum eine ersehnte Wiege.
Schon fast ordinär erschien nach diesem klanglichen Karneval der Indie von Simon Borer, welcher seit einiger Zeit die Schweiz von Luzern aus als Long Tall Jefferson besingt. Mit Gitarre und Begleitung zeugte er von träumerischem Melodienverständnis und Liedern, welche mit ihrer kecken Weise unbemerkt deine Seele kapern. „Old Friend» und „Lucky Guy“ machen dies mit ihren Namen vor, das intime und doch gross wirkende Konzert auf der MIDW-Bühne nutzten die Kraft des Vertrauten, um dieses Festival zu erden. Die zahlreichen Besucherinnen und Besuchern dankten es ihm mit viel Aufmerksamkeit und Zufriedenheit. Da störten auch die aufkommenden Regentropfen nur die Bierbecher, welche leicht verdünnt wurden.
Und schliesslich ging es noch ein letztes Mal in die Reithalle, und zwar zu Ebony Bones. Die Britin mag es offenbar avantgardistisch und ein wenig exzentrisch – die MusikerInnen wurden unter Wrestlingmasken und platinblonden Perücken versteckt, die Sänger in Glitzer und Choreographien gehüllt. Genauso einmalig wie der visuelle Auftritt war dann auch die Musik: Eine Mischung aus düsterem Art Rock, World, Electronic und sogar einer Prise Wave wurde in ungewöhnlicher Instrumentierung gebraut. Neben Schlagzeug und Synthesizer wurde der Sound ausschliesslich von Bläsern und Streichern getragen. Und natürlich der Stimme von Ebony Bones – die anfangs mit einem ausgestiegenen Mikrofon zu kämpfen hatte, sich aber kurzerhand jenes ihres Sängers schnappte.
Obwohl die Hauptkonzerte an dieser Ausgabe von Kasernenplatz in die Reithalle verlegt wurden, fühlte man sich am Freitagabend mehr als wohl und heimisch in Basel. Das tolle Line-up, das liebevolle Rahmenprogramm und die vielen Entdeckungsmöglichkeiten positionierten das Open Air Basel auch im Jahr zehn als wichtige und aufregende Veranstaltung in der Deutschschweiz.