Mouthwatering Records / VÖ: 10. September 2021 / Pop, Electro
oddbeholder.ch
Text: Michael Bohli
Während im Fernseher alles zusammenbricht, bleibt wenigstens unser Leben heil. Oder? Leider nicht, denn trotz Krawall und Bombast lässt sich nicht übertönen, dass vieles im Argen liegt. Global, zwischenmenschlich, in der eigenen Wahrnehmung. „Sunny Bay“ ist kein Album für den heissen Tag am Strand, Unmut hat viel Platz erhalten, destruktiv geht Daniela Weinmann aber nicht vor. „Accept Nature“ ist als zweiter Song sanfter und nimmt den pulsierenden Electro-Pop zugunsten der Singer-Songwriter-Aspekte zurück. Selbstreflektion ist das wichtigste Instrument bei Odd Beholder, ein Innehalten und Neubewerten geht mit der Musik einher.
Genuschelt, geflüstert, nachdenklich ausformuliert – dem Gesang von Odd Beholder zu folgen, ist auf „Sunny Bay“ nicht immer einfach. Die Art, wie die Musikerin ihre Stimme in die Lieder verwoben hat, macht aus Stücken wie „Olive Trees“ eine intime Betrachtung. Synthesizerspuren und sanfte Rhythmik lassen die Traumwelt in den Alltag hinein, Art-Pop und elektronischer Minimalismus verbinden sich. Das fragile Gleichgewicht herrscht zwischen Sounds und Komposition, wie bei der zuckrigen Torte auf dem Cover, die sich knapp auf der Wasseroberfläche halten kann – noch.
Zum zweiten Mal tritt Odd Beholder mit einem Solowerk auf und überzeugt mit ihrer zurückhaltenden und emotional eindringlichen Weise. Der elektronische Pop ist auf „Sunny Bay“ vielfach unscheinbar, weiss bei Liedern wie „Silent Spring“ oder „Rental Car“ aber mit Harmonien und melodischen Farben zu überzeugen. Perlen wie der Katastrophenfilm zu Beginn oder das leichtfüssige „Transatlantic Flight“ gehen schnell ins Ohr, am Ende von „Cupid’s Foul Play“ ist man sich der eigenen Handlungsweise wieder bewusst. Die Scheibe ist ein Pop-Werk für das Heute, ohne moralisch zu werden oder anzuecken, sondern die Wahrheiten schärfer stellt.