7. März 2020
Diverse Orte – Zürich
Website: radarfestival.ch
Bands: Melday / Yet No Yokai / Your Fault / Babeheaven / Mia Morgan / Friedberg / Valeras / Sophie And The Giants / Wargasm
Hereinspaziert, in die wundersame Welt der Langstrasse Zürich. Zum dritten Mal rief das Radar Festival dazu auf, sich inmitten von bunten Neonlichtern, Fast-Food-Gerüchen und merkwürdigen Kleidungsstilen neuen musikalischen Perspektiven zu widmen. Bands zu entdecken, die in wenigen Monaten eventuell die Sterne am Himmel sein werden, die man danach nie mehr in kleinen Lokalitäten geniessen darf. Und wie schon im letzten Jahr, bot das Programm einige Überraschungen.
Noch eher zaghaft der Beginn im KOSMOS, mit Melday aus der Region, zwischen schmächtigem Pop und persönlichen Betrachtungen. Pianobegleitung und glitzernde Schminke, der Teppich am Boden des Clubs fühlte sich korrekt an.
Und dann ging es auch schon zum ersten Konzert in der Amboss Rampe: Die Luzerner von Yet No Yokai liessen ordentlich die Gitarrensaiten schwingen. Dämonen (jap. Yokai) sind sie zwar noch keine, ganz schön düster ist ihr Psychedelic Rock aber doch. Durch diese schaurig-schönen, repetitiven Takte liess man sich gerne forttragen in eine mögliche Unterwelt.
Obwohl man am Radar Festival immer wieder auf Weggabelungen trifft, kann sich das Ausharren an einem Ort ebenfalls auszahlen. Von der Rampe also direkt in die Amboss Garage, denn dort schunkelten sich Your Fault auf der leicht schrägen Bühne in klavierbetonte Lieder, die sich von der Liebe zu Sex wandelten. Mal mit krachendem Bass, am Schluss mit der Slide-Guitar, immer ruhig und ab und an mit Mundartausdrücken garniert – diese Band aus Fribourg verlieh Gelassenheit.
Ausdrucksstark und mit mehr Interaktionen versehen die Darbietung von Babeheaven in der Rampe, von der Grossstadt London in das Städtchen Zürich mit dem „very good Raclette“. Pop zum Schwelgen gab es vom Trio ohne Schlagzeuger, mit sich drehender Milchstrasse an der Decke des Raumes. Vor lauter Freude der Sängerin vergass man immer wieder, wie traurig die Welt doch ist.
Einer der interessantesten Auftritte hielt an diesem Abend das Gonzo bereit. Mia Morgan machte ordentlich Stimmung mit ihrem „Gruftpop„, was sich in etwa mit „Grufti-Schlager“ übersetzen lässt. Themen: Verliebtsein, Verlassenwerden, Rachegelüste. Klänge: Schlager, aber mit Achtziger-Wave-Synthie. Dekoration: Böse blickender Vampir mit Leertaste. Das war so herrlich absurd, dass es einfach Spass machte. Ich will nur noch meinen Waveboy!
Noch einmal in die Rampe? Unbedingt, denn der Auftritt von Friedberg aus Österreich entpuppte sich als Highlight des Abends. Die vier Frauen betörten nicht nur mit wunderbar gemusterten Stoffen, sondern einer flächigen Mischung aus Shoegaze, Alternative Rock und Indie. Dank mehrstimmigem Gesang und vielen Gitarrenschichten wurde deren erstes Konzert in der Schweiz eine packende Begegnung für das Herz.
Viel Kraft und Energie wurde danach im Kellerraum des Gonzo entladen, Valeras aus England vermengten den Indie-Rock mit R&B-Vibes und einem Anflug von 2000er-Stimmungen. Besonders Frontfrau und Bassistin Rose Yagmur konnte mit ihrer quirligen und selbstbewussten Art schnell die Sympathien an sich reissen. Nur schade, verpuffte der dringliche Effekt der Darbietung mit der Zeit etwas.
Was als total innovativ und neu angekündigt wurde, stellte sich unter dem Lichterhimmel im KOSMOS leider als das Gegenteil heraus. Sophie And The Giants lässt es schon im Namen erahnen: Die Parallelen zu Florence + The Machine sind offensichtlich, auch in der Musik und im Songwriting. Nur mit weniger Epik. Dafür haben die vier auf der Bühne ordentlich Gas gegeben.
Und noch ein drittes Mal in das Gonzo, zwischen roten Lichtern und heizenden Körpern explodierte die Freude an der Musik inmitten von Pogokreisen und hochgereckten Fäusten. Wargasm aus England zeigten, dass die Beastie Boys noch heute für Einflüsse sorgen, dass Crossover auch anders funktioniert. Hier wurde die Nacht endgültig erobert, hier wurde klanglich alles kaputt gemacht. Und erneut: Ein erster Besuch in der Schweiz.
Ja, von den 40 Acts haben wir vieles verpasst, weggelassen, ignoriert. Genau darin lag 2020 erneut das Wunder des Radar Festivals, jede Besucherin und jeder Besucher zeichnete sich ihr eigenes Bild des Abends, erfand den individuellen Leitfaden. Mit vielen Empfindungen und Entdeckungen gingen sowieso alle nach Hause.