20. Juni 2020
Neubad – Luzern
Bands: L’Eclair / Prune Carmen Diaz & Louis Jucker / La Cacatúa y Juan
Wenn ich vom Mittelland her nach Luzern fahre, dann erwarte ich gemäss dem Klischee ein abendliches Gewitter oder zumindest ein plötzlich auftauchender Wolkenteppich mit Regen. Für diesen Samstagnachmittag dachte sich das Wetter etwas anderes aus, nämlich Sonne und sommerliche Temperaturen, plus graue Momente. Dann erhellte eine lichte Stelle den Krienser Hausberg, dort, wo wir eigentlich alle hätten sein wollen.
Das wunderbare und alternative Festival B-Sides residiert jährlich an diesem Ort, wegen bekannten Gründen musste die Veranstaltung abgesagt werden. Anstatt komplett in Melancholie zu versinken, hat das Organisationsteam nicht nur diverse Installationen in der Stadt Luzern aufgestellt, sondern zu einem Musik- und Tanzabend eingeladen. Das C-Sides im Neubad bot den alternativen Wiederbeginn, auch für mich, nach mehr als drei konzertlosen Monaten.
Leichte Hemmungen verspürte ich zwar, wieder einmal mit Freunden Livemusik zu hören und mich zwischen Fremden zu bewegen und zu applaudieren war es aber wert. Schön auch, begrüsste uns ein bekanntes Gesicht, Louis Jucker (von Coilguns) eröffnete den Abend mit Prune Carmen Diaz im Pool des ehemaligen Hallenbads. Lo-Fi mit viel Emotion, dreckig angeschlagenen Gitarrenakkorde und Orgelklängen. Dazu Diaz’ Gesang, Lieder über Träume vom Fliegen, Einsamkeit und das gemeinsame Verschwinden – die beiden boten für alle etwas.
Mit nur einer veröffentlichten Single kann man von diesem Projekt zwar noch nicht viel besitzen, im Auge sollte man die zwei aus der Westschweiz auf jeden Fall behalten. Eine weitere Anreise hatten die Musiker von L’Eclair. Die Gruppe aus Genf überzeugte zuletzt mit ihrer EP „нощта“ und dem Album „Sauropoda„, der Auftritt zeigte das wahre Können der Band. Besonders Schlagzeuger Yavor Lilov sorgte mit seinen locker gespielten Jazz-Grooves und Rhythmen für viel Aufregung.
Lange bauten sich die Lieder auf, L’Eclair wanderten von funky 70er-Sounds zu krautigen Repetitionen, bis alles zwischen Basslines, Synthesizerblubbern und Gitarrenflächen zu einer kultigen Party mutierte. Der Raum zwischen Tribüne und Band füllte sich mit tanzlustigen Menschen, in Gedanken drehten sich tausend Discokugeln und die Hosen erhielten massig Schlag.
Die leckere Stärkung bestehend aus Älplermakronen und Rock-Corn war spätestens nach diesem Konzert nötig – und sorgte für das B-Sides-Bauchgefühl. Ein Festival konnte dieser Abend in Luzern zwar nicht ersetzen, wohl aber die Rückkehr in das Konzertleben so angenehm und liebevoll gestalten, wie nur möglich. Dank La Cacatúa y Juan an den Plattentellern musste man nie stillstehen, dank der verwendeten Dekoration fühlte man sich doch nach Kriens transportiert. Ohne Regen oder schwarze Wolken.
Text: Michael Bohli