Mute Records / VÖ: 21. November 2019 / Soundtrack
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Text: Michael Bohli
Sich auftürmende Synthesizer, kühle Frequenzen und Tonabfolgen, welche wie Eiskristalle an den Oberflächen gefrieren – die Musik von Ben Frost ist karg und lebensfeindlich, irgendwie erkaltet. Dies passte wunderbar zu „Fortitude“, einer düsteren Krimiserie, welche während drei Staffeln in Island und England gedreht wurde – eben mit musikalischer Begleitung des Künstlers. Für Kenner und Neugierige gibt es mit „Catastrophic Deliquescence“ nun eine vier Jahre umfassende Kompilation, die eigenständig als Album funktioniert.
Im Gegensatz zur letzten Studioarbeit „The Centre Cannot Hold“ ist «Catastrophic Deliquescence“ natürlich weniger kohärent und besteht aus 31 mehr oder minder kurzen Tracks, die zwar ohne Bilder oder Hintergrundwissen funktionieren, sehr wohl aber Stimmungswechsel vollführen. Ben Frost beginnt die Zusammenstellung mit Elementen, welche elektronisch und bedrohlich wirken, öffnet die Musik immer stärker und landet schlussendlich bei klassischen Orchesterarbeiten. Das lässt den Soundtrack gross und gewichtig wirken, Erlösung gibt es selten. Für Spannungsabfall sorgen teilweise Bläser und Ambientmomente, die Haare bleiben stehen.
Wie der Inhalt der Serie ist deren Musik eine Konfrontation mit harschen Emotionen und menschlichen Abgründen. Ben Frost ist es gelungen, dies auf eine hörbare Ebene zu transportieren und bietet sogar Schmerzen und Horror („In My Flesh And In The Space Between The Blood And The Bones“). Es knistert, es ist laut, Streicher und Gesänge werden zu dämonischen Formen, die Electronica wird zu vergessenen Geistern. Unglaublich, wie ausdrucksstark „Catastrophic Deliquescence“ ist.