2. Februar 2020
Diverse Lokale – Baden
Bands: Polydeuces Pollux (Ester Poly, AUL und Big Zis) / Musique Chienne / Mira Mann
Webseite: ooam.ch
Wie schrieben wir in unserem Bericht zum zweiten Tag am One Of A Million Festival in Baden? Diese Konzertreihe sei unberechenbar und voller Experimente – wie wahr. Das zeigte sich besonders an diesem Sonntag, den ich eher spät begann und so einige intime Momente am Nachmittag nicht miterleben konnte. Dafür hiess es für einmal: Hereinspaziert in das Museum.
In der alten Fabrikantenvilla Langmatt betrachtet man normalerweise Gemälde des Impressionismus, oder labt sich an der Jahrhundertwende-Architektur und den ehrwürdigen Gegenständen. Für Mira Mann begab man sich ohne Kunstführer oder Gemäldewissen in den grossen Saal und nahm auf dem Parkettboden Platz. Die Musikerin aus München präsentierte ihr Solo-Debüt „Ich mag das“, eine EP voller vertonter Kurzgedichte, zwischen elektronischer Musik und grösster Zurückhaltung.
Live mit wenigen Bewegungen dargeboten, zwischen Schattenspielen und Atemübungen, waren die Lieder von Mira Mann an wenige Wörter und Beats gebunden. Das war erstaunlich entspannend, wirkte aber immer wieder leicht prätentiös. Da gefällt mir persönlich die Dringlichkeit von Manns Band Candelilla stärker, an diesem Sonntag vermisste ich die losgelösten Versuche und Emotionen.
Wobei zu viele Versuche ohne Kontrolle auch ausarten können, siehe der Auftritt von Sarah-Louise Barbett in der Stanzerei. Unter dem Namen Musique Chienne führte uns die Frau aus Paris in eine Parallelwelt, in der Tiere am Strand eine Schlagerparty feiern. Zwischen Chanson, Achtziger-Beats und Synthie-Pop für den Kindergeburtstag, wurden Lieder zusammengebaut, die wie eine verunglückte Lego-Skulptur wirkten. Was in einzelnen Sekunden toll wirkte, wähnte als ganzes wie ein schiefer Haufen superkrummer Einfälle.
Ein Hund macht leider noch keine Disco, viel eher wirkte dieses Konzert wie eine einsame Feier im Schlafzimmer. Da wäre der Schritt in Richtung Sinnesauflösung und Dadaismus nötig gewesen, diese Gratwanderung wollte nicht gelingen. Der nachfolgende Höhenflug in der Druckerei hingegen war umso berauschender – und fast einmalig.
Von Martina Berther für das bee-flat im Berner PROGR zusammengestellt, erbarmte sich das Projekt Polydeuces Pollux für einen zweiten Auftritt am OOAM – welch Ehre, und welch Genuss. Die Gruppe mit Ester Poly, AUL und Big Zis in den Reihen vollbrachte an diesem Abend musikalische Kapriolen, welche alleinig den Weg nach Baden rechtfertigten. Explosiv zwischen Krautrock und Jazz, improvisiert und doch geleitet – dieser Lieder waren eigenständig und mit Rap versehen.
Eine Kiste Gazosa daneben, den Groove als herrlichen Boden und die Wörter als stechende Spitze zwischen Gitarrenläufe und betrommelter Gegenstände – ein wahres Highlight, das bei der Zugabe sogar kurz in den Punk eintauchte. Solche Kollaborationen und Neuerfindungen machen die heimische Szene so grossartig, wie sie zurzeit ist. Gerne mehr davon, auch am One Of A Million Festival.
Text: Michael Bohli