Vertigo Berlin / VÖ: 28. Januar 2022 / Rock
tocotronic.de
Text: Michael Bohli
Die Jungs aus Hamburg nehmen uns an der Hand und lassen mitschunkeln. Mit ihrem 13. Album «Nie wieder Krieg» ist eine beruhigende Schönheit in deren Klang eingekehrt, die romantisch nachwirkt und nicht nur beim allerersten Duett der Gruppe für Herzklopfen sorgt. Die Gitarren, Slogans und Hooks gingen bei Tocotronic trotzdem nicht vergessen, die erneut von Moses Schneider produzierte Platte schillert im Detail. Da muss es kein rasant lauter Protest sein, die Mannen um Dirk von Lowtzow sind und bleiben Geniesser.
Mit der Single «Jugend ohne Gott gegen Faschismus» haben Tocotronic klargemacht, dass sie plakative Aussagen und schöne Gitarrenmelodien so gut können, wie sonst niemand in Deutschland. Und wenn Soap&Skin für «Ich tauche auf» am Mikrofon erscheint, verdichtet sich die Emotionalität auf eine neue, bisher nicht gekannte Art. Persönlich seien die Inhalte, lässt die Band zur Platte verlauten, Gedanken zur seelischen Zerrissenheit und der allgemeinen Verletzlichkeit. Das wird stellenweise von Rückkopplungen und hohem Tempo überlagert («Komm mit in meine freie Welt»), funktioniert meist als akzentuierte Erzählung («Ein Monster kam am Morgen»).
Der bei «Die Unendlichkeit» beschrittene Weg wird fortgesetzt, was niemals schlecht ist und sogar unwiderstehliche Hits beinhaltet – «Crash» etwa. So lärmig wie früher treten Tocotronic nicht mehr auf. Weiterhin funktioniert das Spiel mit den Metaphern, das gestelzte Verhalten ist stets reizvoll und die Sounds wundervoll und bei sechs Liedern sogar live aufgenommen. «Nie wieder Krieg» ist erwachsene Unterhaltung und guter Geschmack, ohne anzuecken.