Autor: Nils Wittrock
Titel: Wer jetzt noch umblättert ist selber schuld
Verlag: Eigenverlag
Webseite: thehirscheffekt.de
Big Cartel |
Willkommen zur Wahrheit! Oder zumindest einer bestimmten Sicht auf zehn Jahre voller Erlebnisse, Reisen und dem ewigen Versuch, seine eigene Vision in die Wirklichkeit umzusetzen. Willkommen bei dem ersten, offiziellen Buch über die deutsche Math-Punk-Metal-Core-Rock-Gruppe The Hirsch Effekt. Geschrieben von Gründer und Frontmann Nils Wittrock ist „Wer jetzt noch umblättert ist selber schuld“ aber keine typische Chronologie einer unabhängigen Band, sondern persönliche Gedanken über den beschrittenen Weg.
Gegründet 2008 in Hannover, waren The Hirsch Effekt nie das typische Trio der deutschen Musikszene. Ohne Rücksicht auf etwaige Komplikationen setzten sie sich immer daran, ihre komplexe und technische Musik noch weiter auszureizen. Das bedeutete auf der einen Seite, dass sich die Band mit ihren Veröffentlichungen immer wieder selber übertraf, auf der anderen Seite aber auch, dass jeder Fan und jeder Auftritt hart erkämpft werden musste. Und im eigentlichen Sinne hat sich daran bis heute nichts geändert, auch wenn sich die Säle etwas vergrössert haben.
Nils Wittrock nimmt dies nicht zum Anlass, um bei seinem in kurze Kapitel unterteilte und immer sehr locker geschriebenen Buch Trübsal zu blasen. Viel eher lebt er die DIY-Kultur komplett aus, mag das eher dreckige Leben als Underdog und zeigt den Leserinnen und Lesern, wie unromantisch der Musikertraum eigentlich meist ist. Egal ob man sich mit persönlichen Dämonen oder bandinternen Schwierigkeiten herumschlagen muss, riesige Enttäuschen auf Tour erlebt oder an jegliche Arten von Grenzen stösst – es geht schleppend weiter.
Ab meinem persönlichen Höhepunkt „Holon: Anamnesis“ (was auch die Herkunft des Buchtitels offenbart) zeigte sich die wahre Grösse in der Band und das Trio erhielt mehr Möglichkeiten, was bis heute zu einer nach oben zeigenden Kurve geführt hat. Wittrock blieb aber auch in den letzten Jahren auf dem Boden und zeigt im Buch viel lieber ungeschönt seine Macken. Unüberlegte Wutausbrüche, Egotrips oder die langsame Transformation zu einem Mitmusiker, den alles nur noch nervt – „Wer jetzt noch umblättert ist selber schuld“ hat auf jeden Fall den korrekten Titel. Zum Glück muss man aber nicht in jedem Punkt gleicher Meinung wie der Autor sein, taucht mit eigenen Überlegungen in den Kosmos von The Hirsch Effekt und verarbeitet die Subjektivität.
„Wer jetzt noch umblättert ist selber schuld“ ist dementsprechend keine grosse Literatur, aber eine wunderbar offene Schilderung eines nicht ganz alltäglichen Lebensweges. Fans von The Hirsch Effekt sollten auf jeden Fall zugreifen, gibt es doch viele spannende Insider-Informationen und emotionale Anekdoten. Wer die Band bis heute nicht kennt, der wird mit dem Buch aber nicht viel anfangen können. Viel besser sollte sich der sofort alle Alben besorgen.
Die Kritik zum aktuellen Werk „Eskapist“ findet ihr hier.
Text: Michael Bohli