6. April 2018
Im Gespräch mit:
Sibill Urweider (Gesang und Keyboard) und Mirko Schwab (Schlagzeug) von I Made You A Tape
Warum die Aargauer die weltoffensten Schweizer sind, und ob es besser ist vor oder nach Mama Jefferson ein Konzert zu bestreiten, dass wird hier nicht behandelt. Aber es gab auch sonst genügen zu diskutieren mit den beiden Mitgliedern von I Made You A Tape. Denn die Gruppe aus Bern begeistert seit einigen Jahren mit ihrer eigenen Mischung aus Post-Punk, nachdenklichem Indie und andersartigem Pop auf der Bühne und im Ohr. Mit ihrem Album „Proud And Young“ haben sie sich nun auf eine neue Tour aufgemacht – für uns der perfekte Zeitpunkt, um mal ein paar Dinge genauer wissen zu wollen.
Michael: Auf geht es, eine neue Tour ist gestartet. Wie fühlt ihr euch nach den ersten Konzerten?
Mirko: Gut! Wir freuen uns, spielen zu können und sind sehr gut vorbereitet. Das merkt man auch auf der Bühne, wir haben das Material besser im Griff, einen eigenen Lichtmischer und empfinden es darum weniger als neue Welt.
Sibill: Es ist ganz klar weniger Nervosität vorhanden. Beim letzten Mal waren die Lieder neu und wir spielten zum ersten Mal im Ausland – nun haben wir bereits beim Tourstart das Gefühl, bereit zu sein.
Neues Material spielt ihr aber nicht?
Mirko: Einen neuen Song haben wir, der hat auch gestern in Bern Premiere gefeiert und kam gut bei den Zuschauern an – obwohl wir selber zuerst gezögert haben, ob wir ihn spielen sollen.
Sibill: Es war wirklich eine sehr kurzfristige Angelegenheit. Den Text habe ich sogar erst am Vortag im Zug nach der Arbeit fertiggestellt. Wir werden den Song dann im Anschluss an die Tour aufnehmen.
Seit etwa 7 Jahren existiert eure Band nun. Habt ihr in den Jahren eure gesteckten Ziele erreicht, oder kommt doch immer alles anders?
Mirko: Wir sind eine Band, die einfach immer etwas gemacht hat. Natürlich gab es kleine Ziele wie das Album oder eine Tour. Uns allen ist aber auch bewusst, dass wir mit solcher Musik keine riesigen Erfolge feiern können. Wir machen unsere Arbeit gut und freuen uns über jeden erhaltenen Zuspruch – ein definitives Ziel für die Zukunft gab es aber nie. Insofern sind wir eigentlich eine bescheidene Band – ein stilles Glänzen. Und wenn in 20 Jahren jemand sagt, die Welt hat uns verpasst, dann ist dies schon ein Erfolg. (lacht)
Bern ist doch ein kultureller Schmelztiegel. Hier gibt es bestimmt mehr Möglichkeiten, Fuss zu fassen.
Mirko: Auf jeden Fall, hier kennen wir viele Leute und werden unterstützt. Das hat sich in den letzten Jahren auch in Zürich etabliert und wir profitieren klar davon. Aber die Schweiz ist klein und Lokalitäten für unsere Musik gibt es nicht allzu viele. Darum ist das Ziel schon eher, auch mehr im Ausland spielen zu können.
Sibill: Oder in der Westschweiz. Das ist sehr schwierig, trotz unseres guten Gefühls. Obwohl Orte wie Biel nahe an Bern liegen, hat sich bisher leider sehr wenig ergeben.
Mirko: Gewisse Leute behaupten ja, man müsse zuerst in Frankreich Erfolge feiern, damit sich die Westschweiz dafür interessiert. (lacht) Sicherlich wäre es toll, einmal am Paléo Festival in Nyon spielen zu können. Aber direkt darauf hinzuarbeiten, ist nicht unsere Art.
Wie hatte sich denn das Album „Proud And Young“ auf diese Situation ausgewirkt?
Sibill: Für das Booking in diesem Frühling war es auf jeden Fall von Vorteil.
Mirko: Genau, auch, dass wir gute Kritiken erhielten und bereits eine Tour vorweisen konnten. Und jetzt haben wir eine nette Reihe von Konzerten auf die Beine gestellt in Lokalen, die einen guten Ruf geniessen.
Warum gibt es denn kein Tape vom Album?
Sibill: Es gibt eines, aber vom allerersten Album, das wir selber aufgenommen haben.
Stammt denn auch euer Bandname von da?
Sibill: Nein, der Name war auf jeden Fall bereits vorhanden, bevor wir uns Gedanken zu einem Tape gemacht haben.
Die Presse spricht ja momentan wieder von einer neuen Kassettenwelle. Wer von euch hat denn jemals Mixtapes erstellt, oder macht dies immer noch?
Mirko: Ich habe immer für alle Mädchen, in die ich verliebt war, Mixtapes aufgenommen. Das klassische romantische Beispiel. Von dort stammt unser Name, von diesem Gefühl, mit der Musik etwas ausdrücken zu können, das Worte nicht schaffen. In gewisser Weise auch die ewige Jugend, die mit diesem Namen festgehalten wird: Wir haben Musik gemacht, um unsere Liebe zu bekunden.
Was auch mit dem Albumtitel und den Songtexten transportiert wird. Wir leben heute ja oft in diesen Vergangenheitsmomenten. Ist dies bei euch auch ein Aspekt?
Sibill: Ein gewisser Hang zur Nostalgie ist bei mir auf jeden Fall vorhanden – nicht immer nur positiv. Denn nicht alles was neu ist und als gut versprochen wird, sollte man sich auch sofort aneignen. Man soll die Dinge beachten, die einem gut getan haben.
Ist es aber nicht eine Möglichkeit, die heutigen Probleme auszublenden und sich auf Klischees und die Retroromantik zu berufen?
Mirko: Schlussendlich macht man ja immer das, was von persönlichem Interesse ist. Bei uns hiess das, eine Platte zu pressen oder Musik mit alten Gerätschaften zu spielen. Aber unsere Lieder existieren im Moment und dienen auf keinen Fall zur Flucht in alte Zeiten. Wir nehmen alte Bestandteile auf und kreieren daraus etwas Neues. Uns gefällt die eklektische Weise, Digitales mit Analogem zu verschmelzen. Da frage ich mich auch gar nicht, ob dies nun eine Hipster-Haltung oder Mode sei.
Sibill: Das greift auch in unser sonstiges Leben über. Wir gehören nicht zu der Gruppe von Konsumenten, die Vinyl nur kaufen, weil es hip ist und diese dann ins Wohnzimmer stellen. Es ist für uns ein Erlebnis, Musik so zu hören – vom Klang und der Haptik her.
Mirko: Gleichzeitig bin ich aber auch den halben Tag auf Spotify und höre mir Trap-Bands an. Es ist eine mehrspurige Angelegenheit, und das empfinde ich als schön.
Die Zeit wird immer schnellebiger: Die digitale Kultur fordert schlussendlich keine Konfrontation durch den Konsumenten. Was auch für eine Band verheerend sein kann.
Mirko: Klar, das auf jeden Fall. Allerdings kann so auch jemand, der von unserer Band keine Ahnung hatte und durch einen Freund den Link zum Album erhält, sich mit uns beschäftigen. Da bietet auch Spotify die Möglichkeit, in die Tiefe zu gehen. Sicherlich verändert es das Konsumverhalten bezüglich Musik, aber ich will dies nicht verteufeln.
Sibill: Es ist auf jeden Fall eine Gratwanderung. Die neuen Medien wie Instagram sind bei uns in der Band immer wieder ein Thema, allerdings kennen wir die Möglichkeiten noch zu wenig, um es wirklich zu nutzen. Und wir betrachten sie als Werkzeuge, die man für seine eigenen Zwecke nutzen kann, ohne komplett davon eingenommen zu werden.
Mirko: Unsere Band verbrachte einige Jahre in einer Verweigerungshaltung, dieser stolzen DIY-Einstellung aus dem Underground, und wir diskutierten lange über Dinge wie Youtube oder Facebook. Aber mittlerweile sind wir ziemlich lustvoll in dieser Zwischenposition unterwegs.
Das Gute am Digitalen ist ja auch, dass man als kleine Band gewisse Zwischenschritte ausblenden kann.
Mirko: Als Band überlegt man sich dann halt eher, was es bedeutet, eine Verpackung zu erstellen oder ein Foto zu machen. In der letzten Zeit habe ich daran viel Gefallen gefunden, ohne dass mir jemand reinredet.
A propos Diskussion und Gesellschaft: Sibill, du und Belinda (Aréstegui, Bassistin), ihr habt beide Stellung zum Thema Gender und Sexismus in der Musikszene genommen. Hat sich in den letzten zwei Jahren etwas verändert?
Sibill: Ich muss ehrlich sagen, dass ich persönlich nie mit extremen Problemen konfrontiert wurde. Man spricht aber immer mehr darüber, und die Indicator-Tour hatte beispielsweise die Anforderung, mindestens eine Frau pro Band vorzuweisen. Da spürt man, dass mehr Wert auf solche Dinge gelegt wird. Es darf allerdings auch nicht zum wichtigsten Punkt verkommen, sonst kommen Gedanken auf wie: „Werden wir nur gebucht, weil wir Musikerinnen in der Band haben?“
Mirko: Ich begrüsse es sehr, dass im Bereich des Bookings die Ausrede, dass es mehr Männer in Bands gibt und man darum mehr solche Künstler bucht, nicht mehr gilt. Jeder gibt sich Mühe und man muss auch Frauen fördern, um den Status Quo verändern zu können. Mir ist es wichtig, dass mehr Frauen in Gebieten wie Programm und Booking mitarbeiten – wie im Royal (Baden) oder der Bar 3000 (Zürich). Das tut der Musikszene gut und zeigt auch vorhandenes Interesse auf. Wir versuchen dies auch beim Label Blaublau Records und forschen immer lange nach den besten Acts.
Sibill: Interessanterweise war es bei uns in der Band lange kein Thema, obwohl wir zur Hälfte mit Frauen besetzt sind. Aber wir waren auch nie eine politische Gruppe.
Zum Abschluss: Was wünscht ihr euch denn für die heimische Szene? Fehlt etwas?
Mirko: Die Netzwerke müssen sich auf jeden Fall stärker verbinden, Bands sollen sich zusammenschliessen können, auch über die Sprachgrenzen hinaus. Man spürt leider oft die neidvolle Grundhaltung, weil sich alle um die kleine Menge Aufmerksamkeit streiten. Das sollte sich ändern. Etwas mehr gegenseitige Unterstützung wäre auf jeden Fall toll – das Selbstverständnis des „vereinten Untergrundes“. Und auch hier versuchen wir mit Blaublau Records darauf hinzuarbeiten, egal in welchem Genre.
Vielen Dank für eure Zeit und Musik.
Interview: Michael Bohli