11. September 2018
Im Gespräch mit: Thomas Junker (Gesang und Gitarre) und Janosch Lehmann (Schlagzeug) von Dean Wake.
Mit ihrer neuen EP „Everything Quiet“ haben Dean Wake aus Bern nicht nur veröffentlichungstechnisch ein neues Format ausprobiert, sondern auch im Klang einiges verändert. Es gibt Gäste, laute Songs und nachdenkliche Geschichten. Der alternative Rock dieser Gruppe ist vielschichtig und fesselnd, man spürt, dass mit dieser Musik viel gesagt werden will. Schön also, dass die Gruppe nun mit der Taufe im Gaskessel in Bern (Samstag 15. September 2018) diese neue Energie auf die Bühne überträgt und in eine neue Tour startet. Zeit also, die Herren einmal zu treffen.
Michael: Bringen wir es gleich aus dem Weg: Der Gesang und die Arrangements klingen oft extrem nach Nick Cave. War euch dies bewusst?
Thomas: Bewusst eher nicht, aber wir hören Nick Cave & The Bad Seeds. Da wird man automatisch unbewusst beeinflusst.
Janosch: Wir haben diesen Vergleich immer wieder gehört und jetzt hatte ich es nach der Kritik eins zu eins mit Songs verglichen, und ja, es gibt durchaus Parallelen. In der Klangfarbe beispielsweise.
Thomas: Selber merkt man es meist weniger.
Wo trefft ihr euch denn bei der Musik?
Janosch: Nick Cave ist bestimmt etwas, das uns allen gefällt – gemeinsame Nenner finden wir aber immer wieder. The Black Keys beispielsweise.
Thomas: Radiohead, besonders vom Sound her. Bei ihnen wirkt alles etwas düster, auch die Stimmung der Instrumente. Und das war für uns schon ein Vorbild in Sachen Klangfarbe und Produktion.
Eure Songs erzählen trotz der Dunkelheit lyrisch dichte Geschichten. Was steht zuerst, Musik oder Text?
Thomas: Es kann sein, das eine kurze Phrase in einer Jamsession entsteht, meist steht aber der Text mit der Grundstruktur zuerst. Danach wird es von der Band gemeinsam ausgearbeitet.
Wie kam es zu der Entscheidung, anstelle eines zweiten Albums eine EP zu veröffentlichen?
Thomas: Wir sassen einmal nach einer Bandprobe in der Turnhalle und fragten uns, wie es nun nach den damals gespielten Konzerten weitergehen sollte. Wir hatten nichts geplant und da kam die Idee für eine EP auf – was dann schnell Form angenommen hat.
Janosch: Unter dem Strich war es sicherlich auch eine finanzielle Frage. Unser Album hatten wir damals selber produziert und uns war schnell bewusst, dass wir nicht genügend Mittel hatten, um ein komplettes zweites Album im Studio aufzunehmen.
Gibt es denn bereits Pläne für kommende Veröffentlichungen?
Thomas: Material ist eigentlich immer genügend da, an der Plattentaufe werden wir beispielsweise vier neue Lieder spielen. Eines davon ist sogar im Studio entstanden, drei weitere sind seit den Aufnahmen noch dazugekommen. Darum wird es auf jeden Fall auch wieder das Ziel sein, etwas aufzunehmen.
Janosch: Ob dies allerdings wieder eine EP wird oder dann doch ein Album, das haben wir noch nicht festgelegt.
Wie war für euch die Erfahrung, mit Crowdfunding zu arbeiten?
Janosch: Es ist immer etwas schwierig, aber schlussendlich konnten wir damit Geld von Leuten erhalten, die uns unterstützen wollen. Vielleicht, weil sie uns besser kennenlernen möchten oder an der Taufe einen garantierten Platz haben – es existiert also ein Mehrwert für das Gegenüber. Man ist natürlich immer am abschätzen, ob es dann auch wirklich reichen wird, aber es ist ein gutes Mittel. Nebst den Kulturförderungen, welche ebenfalls Gold wert sind.
Thomas: Crowdfunding ist ja auch nie die hohle Hand, sondern man bietet Leistungen an. Man bindet sich stärker an die Fans.
Janosch: Das Interessante ist ja auch, dass man über solche Plattformen immer wieder Geld von Personen erhält, die wir überhaupt nicht kennen und die einfach junge Bands unterstützen wollen.
Ihr habt lange vor dem Debüt eure Musik bereits live erprobt. Wie verändert sich das Gefühl eines Auftrittes, wenn die Songs „festgenagelt“ sind?
Thomas: Die Schwierigkeit ist immer, den emotionalen Bezug zu den Liedern nicht zu verlieren. Live ist das etwas einfacher, da man den Druck von aussen verspürt – es darf aber nie ein Runterspielen der Lieder werden. Und je nach persönlicher Tagesstimmung muss man sich auch immer wieder einfinden.
Janosch: Oft macht es aber genau an diesen Tagen am meisten Spass.
Thomas: Genau, es bietet wie eine gewisse Freiheit. Meist ist es nur am Anfang schwierig, und man ist schnell wieder drin.
Janosch: Für mich ist es eher das Gegenteil, dass man live nämlich lieber nicht wie auf der CD klingen will. Es muss live eine Eigenständigkeit aufweisen, auch wenn man die Songs, die man bereits aufgenommen hat, bestimmt ähnlicher spielt. Bei den Aufnahmen muss man natürlich strukturierter vorgehen.
Thomas: Was aber auch sehr spannend ist, da man im Studio nach mehr klingen kann, als man tatsächlich Leute in der Band hat. Die Experimente und die Entwicklungen sind sehr aufregend – und dies zu zelebrieren ist für mich einer der Hauptgründe, ins Studio zu gehen. Live muss man je nach Spielort dann wieder reduzieren.
Ihr arbeitet auf „Everything Quiet“ mit diversen Gästen zusammen. Wird man die Musik von euch auch live erweitert erleben dürfen? An der Taufe beispielsweise?
Thomas: Genau, da werden die Sängerinnen und der Synthie- und Orgelspieler dabei sein. Die Bläser zu organisieren war leider zu kompliziert.
Janosch: Es macht je nach Lokal auch nicht alles gleich viel Sinn. Ende November spielen wir im Mokka in Thun, und genau da würde es sich anbieten, den Tastenspieler dabei zu haben, weil es auch etwas Spezielles ist. Sonst werden wir bestimmt je nach terminlichen Möglichkeiten schauen. Das Tolle ist ja, dass die Songs auch ohne diese Zusätze funktionieren.
Habt ihr denn schon mit dem Gedanken gespielt, dies mit Backtracks und Samples zu ergänzen?
Janosch: Solche Überlegungen haben wir gemacht und viel darüber diskutiert. Vielleicht testen wir es einmal, allerdings ist es immer schwierig, dies in den Livesound einzubetten. Entweder ist es zu penetrant oder verschwindet im Hintergrund.
Thomas: Für uns ist es auch etwas merkwürdig, wenn man live Klänge hört, die niemand auf der Bühne spielt. Es ist immer besser, wenn jemand solche Elemente auf der Bühne spielt und auch auf Stimmungen reagieren kann. Ich bin auch kein Fan von Trigger und solchen Dingen.
Janosch: Da man mit solchen Backtracks auf den Klick spielen muss, ist es automatisch auch ein grosser Mehraufwand. Da kann man sich dann schon fragen, ob dies überhaupt nötig ist. Live ist es schliesslich immer etwas anderes.
Wie war es denn mit diesen weiteren Beteiligten im Gegensatz zum „reduzierten“ Album?
Thomas: Es hat sich so halbspontan ergeben. Aber gerade zu Beginn waren wir bezüglich der Umsetzung unsicher, klärten dies aber bereits früh mit unserem Produzenten. Und durch seine und unsere Kontakte suchten wir passende Leute, wussten aber auch, dass wir alles nicht verwenden würden, falls es nicht brauchbar gewesen wäre. Und für die Musiker, welche nun an der Plattentaufe dabei sein werden, haben wir weitere Songs angepasst.
Janosch: Das kann man so bewerben: Taufe mit Gastmusikern. Und diese werden dann öfters auf der Bühne stehen als nur bei den Songs von der neuen EP.
Seid ihr denn stark mit den weiteren Bands und Künstlern in Bern vernetzt?
Thomas: Aktuell findet eher wenig Austausch statt. Mit Dead Bunny gab es ein Treffen, mit The Souls auch.
Janosch: Durch Another Me, mit welchen ich spiele und wir auch den Bandraum teilen, ergaben sich die Kontakte zu den Gastsängerinnen. Und im Raum nebenan ist Julian Kollbrunner zuhause, der ehemalige Bassist von Pablopolar.
Thomas: Mit YRU würden wir gerne im Frühling etwas auf die Beine stellen, mit Death By Chocolate haben wir bereits zusammengespielt. Es passiert bestimmt mehr als früher, aber wir mussten dieses Networking auch lernen.
Janosch: Ein wichtiger Punkt hierbei ist natürlich auch, dass wir jetzt viel gespielt und dabei neue Leute kennengelernt haben, ohne spezifisch auf Kollaborationen hinzuplanen. Mit der neuen EP haben wir nun aber ein Produkt, das sich dafür eignet.
Ihr habt das Promoting erwähnt. Dies wird mit all den sozialen Medien ja immer aufwändiger, um überhaupt sichtbar zu bleiben, auch für eine Band.
Janosch: Hier haben wir das Glück, dass Irascible (Vertrieb) sehr viel für uns macht. Sie haben natürlich auch viel mehr Kontakte.
Thomas: Der Aufwand ist bei der Promotion auf jeden Fall grösser als der Spass.
Was sind die Ziele und Wünsche, die man als frische Band in sich trägt?
Thomas: Wir machen es in erster Linie ja für uns selbst und hatten nie konkrete Vorstellungen, wie das Album werden sollte. Der Primat ist immer das Lied, und so werden wir auch weiterhin fortfahren. Viele Konzerte spielen, neues Material aufnehmen und alte Muster aufbrechen. Wir haben nicht den Anspruch, funktionierende Elemente bis zur Langeweile weiterzuführen. Vielleicht wird in Zukunft mit nur einer Gitarre und dafür mehr Synthie gearbeitet.
Janosch: Es ist momentan eine gute Mischung, jetzt nach der Zeit im Studio und den bevorstehenden Konzerten. Für das Konzert im Gaskessel haben wir sehr viel geprobt, bis zu zwei Mal pro Woche, was für eine Routine im Zusammenspiel sorgt, die gesund sein kann. Es fügt sich alles zusammen, da kann man auch sicherer experimentieren.
Thomas: Wir werden bestimmt nie nach einem Schema arbeiten, nur um im Radio gespielt zu werden.
Bestimmt aber auch besser von der Musik leben zu können.
Thomas: Auf jeden Fall, schliesslich kann man mit mehr Zeit auch länger im Studio verweilen.
Janosch: Das Problem ist halt, dass man in der Situation nicht nur genügend Geld für den Lebensunterhalt benötigt, sondern auch die Studiozeit finanzieren muss. Das ist Vollzeit nicht möglich.
Wie kam denn die Verbindung mit Irascible zustande?
Janosch: Wir haben für die Promotion aktiv gesucht und an diversen Stellen angeklopft. Irascible kam dann sehr schnell auf uns zu und sagte, dass ihnen die Musik gefällt. Das war für uns natürlich ein Glücksgriff.
Das Interessante an Irascible ist ja auch, dass sie in der Westschweiz stark positioniert sind.
Janosch: Daraus erhoffen wir uns auf jeden Fall etwas. Obwohl die Leute in der Romandie eigentlich zugänglicher für rockige Musik sind, ist es schwierig, dort zu Konzerte zu kommen.
Thomas: Mit Cotton Mount aus Genf ergibt sich vielleicht auch einmal etwas, mit denen haben wir schon einmal gespielt und im Bad Bonn Kontakte geknüpft.
Janosch: Einmal an der Bad Bonn Kilbi zu spielen, das ist einer meiner Lebensträume.
Woher kommt eigentlich euer Name Dean Wake?
Thomas: Wir haben lange überlegt und zuerst mit Wörtern rumgespielt. Es kam mehr von der Klangfarbe der Wörter her, dem visuellen Eindruck. Irgendwie ist er ziemlich neutral, das passt mir noch gut.
Was möchtet ihr den Leserinnen und Lesern von ARTNOIR noch mitteilen?
Thomas: Kommt zur Plattentaufe und folgt uns auf den diversen Kanälen. Es wird nun regelmässig neuen Inhalt geben!
Janosch: Vom Konzert im Gaskessel beispielsweise, wir werden den Abend in Ton und Bild aufzeichnen.
Vielen Dank für eure Zeit und Musik.
Interview: Michael Bohli