4. Mai 2020
Im Gespräch mit: Casanora von Casanora.
Mit ihrer ersten EP „Happiness Is Mostly Sold Out“ hat die junge Berner Musikerin Casanora im Januar die Türen zu den dunklen Gefilden der elektronischen Musik aufgestossen. Klangexperimente, Collagen und Lärm, vermischt mit persönlichen Botschaften und wichtigen Aussagen. Eine fesselnde Mixtur, die am diesjährigen M4Music-Festival die Jury begeisterte und der Künstlerin das Demotape im Bereich „Electronic“ einbrachte. Wir führte ein digitales Gespräch mit Nora.
Michael: Gratulation, du am M4Music das diesjährige Demotape im Bereich der elektronischen Musik gewonnen. Die typische Frage: Wie fühlt sich das an?
Casanora: Grazie mille! Es fühlt sich sehr, sehr gut an, obwohl ich es immer noch nicht ganz realisiert habe.
„Learn How to Fly This Dragon“ klingt düster, die Beats erinnern an Burial. Was inspirierte dich zu diesem Track?
Burial kenne ich nicht, aber den check ich gleich aus. Dieser Track war sehr vom Text und der dahintersteckenden Botschaft geleitet, dies hat unbewusst die Beatkreation mitbeeinflusst. Vielleicht wurde ich auch inspiriert, als ich probierte auf dem Drachen zu fliegen.
Wie produzierst du deine Lieder?
Ich arbeite sehr intuitiv, jeweils parallel an den Beats, den Texten und den Visuals/Videos. Alles beeinflusst einander. Meistens ist der Ursprung der Lieder eine Szene oder eine Emotion, daraus kreiere ich dann eine passende Welt.
In deiner Musik stecken viele Konfrontationen und Fragen, aber auch Teile deines Lebens. Was bei Casanora bist du selber, was eine Maske?
Bei Casanora gibt es keine Maske, Casanora ist eine fokussierte Version von mir selber, es ist die Möglichkeit, mich ausdrücken zu können.
Du lebst in Bern, hast aber italienische Wurzeln. Musik kennt keine Grenzen, oder?
Nein, überhaupt nicht zum Glück! Genau diese Grenzenlosigkeit ist das inspirierende.
Deine erste EP hört sich wie ein grosses Experiment an, eine Suche. Hat die Veröffentlichung Klarheit gebracht?
Ich denke, meine suchende Natur werde ich nie vollkommen beiseitestellen können. Aber in der aktuellen Zeit bin ich gerade daran, ruhigere Welten zu erschaffen. Wobei, ruhigere Welten wohl nur aus meiner Sicht zutrifft.
„Happiness Is Mostly Sold Out“: Warum sind wir, besonders hier in der Schweiz, nicht glücklicher? Oder anders gesagt, was macht dich glücklich?
Schwierige Frage, aber ich kann nur sagen, dass wir Schweizer auch mal durchatmen und ein wenig mehr im Moment leben könnten und dürften. Was uns das Corona-Virus aufgezwungen hat, sollten wir meiner Meinung nach für die Zukunft in unseren Alltag übernehmen. Diese Entschleunigung hat mich viel glücklicher gemacht.
Du scheust dich nicht, in der Musik ernste und schwierige Themen anzupacken. Kann Musik heute noch Diskussionen verändern, entfachen?
Ich hoffe es schwer und bin davon von tiefem Herzen überzeugt.
Nebst den Klängen hast du auch das Musikvideo zu «Let the Psycho Go» selbst gedreht. Wie wichtig ist Kontrolle für dich?
Kontrolle ist ein wichtiger Faktor für mich, es bedeutet gleichermassen Freiheit zu haben, meine eigenen Entscheidungen treffen zu können.
Welche Träume hast du für dein Musikerinnenleben?
Weiterzufahren wie bisher und mein Ding durchziehen. Live spielen, Kollaborationen in der Kunst eingehen, im Ausland Anklang finden, in der Welt herum kommen mit meiner Musik. Von was ich schon lange träume ist, einen Auslandaufenthalt zu machen, um dort Musik erarbeiten zu können.
Wie funktioniert das Lockdown-Leben bei Casanora?
Mir geht es so gut wie schon lange nicht mehr, sehr entspannt dank Corona. Für mich halt sich nicht viel verändert, ich war schon vorher viel zu Hause, da ich von dort aus hauptsächlich an meinen Projekten arbeite. Zurzeit bin ich an meinem Masterabschlussprojekt.
Da wir alle viel zuhause sind: Welche Musiktipps möchtest du unseren Leser*innen weitergeben?
Gordi – Sandwiches
Milk & Bone – Peaches
Henry Green – Electric Feel
Aves – Doubt
Vielen Dank für deine Zeit und Musik.
Interview: Michael Bohli