8. Oktober 2016
Im Gespräch mit: Ann Kathrin Lüthi alias Annakin
Mit ihrem mittlerweile 5. Studioalbum „Flowers On The Moon“ stand Annakin in der Berner Dampfzentrale mit einem exklusiven Konzert auf der Bühne. Ich durfte mit ihr vor dem Konzert kurz über ihre Musik, das neue Album und vor allem über die unendlichen Weiten des Universums sprechen.
Sebastian: Zuerst gratuliere ich Dir zu diesem wundervollen Konzeptalbum. Es ist ein sehr spezielles Werk, wunderbar anzuhören.
Annakin: Danke vielmals, ich finde auch, „Flowers On The Moon“ ist etwas sehr Spezielles.
Ein Konzeptalbum steht auf Deiner Homepage. Es dreht sich alles um die sieben Planeten die den Wochentagen die Namen geben. Mond, Mars, Merkur, Venus, Jupiter, Saturn und die Sonne. Du versuchst nichts geringeres als das Universum zu vertonen. Wie entstand diese Idee?
Alles begann mit dem Titelsong „Flowers On The Moon“. Es war schon lange mein Wunsch einen Song über den Mond zu schreiben. Während den Arbeiten dazu sind die Themen Raum und Zeit immer wieder, jedoch unzusammenhängend aufgetaucht. Ich glaube es geht um Planeten, antwortete ich dann auf die Frage eines Freundes, der die Essenz des Albums wissen wollte. Dies war eine unglaublich wichtige und triviale Frage. Nun war klar um was sich das Album dreht und so war es natürlich viel einfacher die nächsten Songs zu entwickeln.
Nun ja, das Universum erklärt sich ja durch Physik und Mathematik. Die Wissenschaft ist heute so weit, dass eigentlich nichts mehr Geheimnisvolles im Universum steckt. Deine Welt ist ja eigentlich gar nicht so. In Deinen Liedern und Texten bist Du oft sehr mystisch unterwegs. Denken wir an den Song „The Wolf And The Sun“. Hier greifst Du eine nordische Sage auf in der ein Wolf die Sonne fressen will. Wie passt dass denn für Dich zusammen, die klaren Gesetze der Physik und die Mystik?
(lacht) Erst mal darf man nicht vergessen, dass ich einen Maturaabschluss in Mathematik habe. Ausserdem hat ja auch die Musik selbst viel mit Mathematik und Physik zu tun. Für mich sehr wichtig war, das Album sehr umfänglich zu gestalten. Eben nicht nur die Mystik zu thematisieren, sondern auch die physischen Aspekte des Universums einzubringen. Im Song „Albedo“ beispielsweise befasse ich mich mit der Rückstrahlkraft eines Planeten. In „Saturn’s Anthem“ möchte ich die Substanz der Ringe wiedergeben. Musikalisch geschieht dies hier mit Gläsern, wie du dann auch im Konzert hören und sehen kannst. Aber auch die poetische Gestaltung war mir ungemein wichtig. So dreht sich in „Shipping News“ alles um die sehr poetischen Ortsnamen der einzelnen Mondgegenden. „Flowers On The Moon“ vereint also sehr viele Aspekte.
Du hast soeben den Song „Saturn’s Anthem“ erwähnt. Es ist für mich der Titel der am krassesten aus der Reihe fällt. Er hat einen ganz anderen Drive als die anderen Stücke. Klar, der Planet ist ja alleine schon vom Aussehen her ganz anders als die anderen Himmelskörper. Verbindest Du etwas Spezielles mit diesem Titel?
Ich lasse in mein Album ja Aufnahmen der NASA einfliessen. Die Planeten geben, während sie um ihre Umlaufbahnen ziehen, Geräusche von sich. Die NASA macht diese Geräusche für das menschliche Gehör hörbar. Diese Audioaufnahmen waren denn auch die Grundlage für das Album. Speziell in diesem Song habe ich versucht das Geräusch des Saturn zu vertonen. Es ist auch vom Arrangement her ein sehr spezieller Titel, denn er bricht in der Mitte, wird plötzlich recht popig und fällt gegen Schluss hin wieder zurück in die Tiefe des Universums. Ein sehr spannender Song und auch einer meiner Favoriten weil es so viel in sich vereint.
Die Instrumentalisierung dieses 5. Albums von Dir ist auffallend dezent und zurückhaltend. Viele Streicher und Bläser, sehr wenig Schlagwerk. Oft ist neben Deiner Stimme gar nur ein Instrument zu hören. Wieso räumst du dem einzelnen Instrument so viel Platz ein?
Wir haben versucht einen Ausgleich zu finden zwischen den massiven Songs, die es durchaus auch gibt und den sehr ruhigen Titeln. „Beauty Of An Abandoned Place“ oder „Mars“ sind sehr ausschweifend. Ziel war es, die Wucht, die Grösse und die Stärke der Planeten wiederzugeben, gleichzeitig aber die Ruhe und die Einsamkeit des Universums in die Lieder einfliessen zu lassen. Das Album ist eine Reise durch oder zu den verschiedenen Polen dieser Unendlichkeit.
Du sprichst von Polen. Ich finde das ist der rote Faden der sich durch Dein ganzes Werk zieht. Ständig sprichst du die Gegensätze an. Das Ich und das Du. Das Dunkel und das Hell. Im Song „Hunter“ singst Du, die Helligkeit und die Dunkelheit sind Gegensätze die sich beide in unserem Herzen befinden. Fühlst Du dich von diesen Gegensätzen oder wie Du sagst, Polen, so extrem angezogen?
Was natürlich bei diesem Thema, den Planeten und dem Universum sehr spannend war und ist, ist sicherlich die krassen Wechsel von der Dunkelheit und dem Licht. Das kann man natürlich wieder auf viele Arten betrachten, auch die mystische oder eben die physikalische. Ich fand das Düstere ja schon immer spannender als das Licht und ich denke auch, dass in jedem Menschen beides verborgen ist. Diese Zwiegespräche führen zu können in Form der Planeten fand ich enorm spannend. Aber auch die Fürsorglichkeit musikalisch rüber zu bringen wie in „Venus“ oder „Flowers On The Moon“ war unglaublich befriedigend. Wenn ich so darüber spreche könnte ich gleich nochmals ein ganzes Album schreiben.
Ganz einmalig und einzigartig ist, dass Du uralte Instrumente auf Deinem Album spielen lässt. Das Marxophon ist eines, eine Art Zitter. Aber auch die Phonofiddle und das Harmonium welches in „Albedo“ dich ganz alleine begleiten darf. Wie bist Du darauf gekommen diese alten Instrumente in dein Werk einfliessen zu lassen?
Ich habe relativ schnell gewusst, dass ich ein organisches, ein akustisches Album machen möchte. Ich wollte dies jedoch nicht mit den herkömmlichen, allseits bekannten Instrumenten, der Gitarre, dem Keyboard und den Drums machen. Also habe ich mich auf die Suche nach jemandem begeben, der sehr spezielle Instrumente spielt. Mit dem Multiinstrumentalist Ben Christophers habe ich diese Person gefunden. Mit ihm und den erwähnten Instrumenten konnte ich den eigentlichen Grundton legen. Von dieser warmen Grundfarbe aus haben wir dann weiter experimentiert, hin zu den Streichern und den Bläsern. Ich finde es schön anzuhören, dass es eben auch ganz ohne Gitarre und fast ohne Beats, nur ein klein wenig Perkussion funktioniert, ein gutes akustisches Werk zu erschaffen.
Da stimme ich Dir vollkommen zu. Sind es für Dich all diese alten Instrumente, die das Album ausmachen, sozusagen das Hintergrundrauschen des Universums?
Nein, ich denke, Sie sind nicht nur Hintergrund sondern wie im Lied „Taken Apart“ oft auch sehr dominant. Dieses Marxophon finde ich einfach unglaublich. Wenn man die ganze Spannbreite hört, die tönt wie ein Donnern, dann ist es eben viel mehr als nur Hintergrund. Aber ich gebe dir auch recht, diese alten Instrumente bilden eine Art Basis des Ganzen, den musikalischen Grundton.
Als ich mich mit Deinem Album intensiv befasst habe, fiel mir plötzlich die Geschichte des kleinen Prinzen ein. Er reist ja durch das Universum von Planet zu Planet auf der Suche nach Freunden. Auch hat er seinen eigenen kleinen Planeten B612, mit einer Rose und den Affenbrotbäumen. Ich fragte mich also, wie würde wohl Annakin ihren eigenen Planeten gestalten?
Meinen eigenen Planeten glaube ich, habe ich mit „Flowers On The Moon“ bereits gestaltet, zumindest deute ich das hier an. Ich würde auf dem Mond Blumen pflanzen. So könnte ich aus einer verlassenen, grauen und staubigen Ebene etwas Farbiges kreieren in einer Umgebung die von ganz speziellen Licht beschienen wird. So stelle ich mir das vor. Ja ich denke das ist es, Blumen – Blumen und ich würde den ganzen poetischen Namen auf dem Mond viel Platz einräumen. Würde dafür sorgen dass es in der Bay of Dew ab und zu regnet und in der Sea of Tranquility würde ich meinen Schlafplatz finden.
Es scheint fast so, als ob Dir der Mond der Liebste unter den Planeten ist.
Ja es ist wirklich lustig. Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich diesen Himmelskörper nicht nur gleich zwei Mal thematisiere, sondern dass er noch vier weitere Male als Weggefährte auf dem Album vorkommt. Der Mond ist ein ganz wichtiges Element des ganzen Werkes. Wahrscheinlich weil er halt von allen Planeten jener ist, den wir am besten kennen.
Das Universum ist ja unendlich und doch zeichnet es sich durch das Sterben aus. Die Sterne die wir sehen sind längst erloschene Himmelskörper. Der Raum und die Zeit im Universum sind so unfassbar gewaltig, dass das Licht das wir hier in der Gegenwart sehen aus der tiefsten Vergangenheit stammt. Es ist beinahe unvorstellbar. Was bedeutet für dich Zeit?
Das ist eine sehr spannende Frage. Gerade wenn man Zeit im Zusammenhang mit dem Licht und der Lichtgeschwindigkeit betrachtet, ist es ja immer zu spät. Das was wir sehen ist lange schon vorbei. Ich thematisiere dies im Song „Beauty Of An Abandoned Place“. Wir sind so klein mit unseren Problemen. Ich versuche zu sagen, dass wir alles vielleicht etwas relativieren sollten vor dem Hintergrund der unglaublichen Weite des Universums und der Evolutionsgeschichte. Ich möchte auch dass „Flowers On The Moon“ als 41 minütiges Werk zum Abschalten verstanden wird. Als eine Auszeit von all den kleinen Problemchen die wir oft als so riesig und unüberwindbar empfinden. Denn in Relation zum Universum sind wir doch eigentlich nichtig.
Ann Kathrin, ich danke Dir für dieses wunderbare Gespräch und freue mich, gleich Dein Konzert zu hören. Zum Schluss kurz und knapp, Dein Album in einem Wort?
(schmunzelt) hmmmm… Bigballedandbeautiful.
Interview: Sebastian Leiggener