7. Februar 2020
Diverse Lokale – Baden
Bands: Haiyti / Angstkiste / Culk / Ella Soto
Webseite: ooam.ch
Das diesjährige One Of A Million Musikfestival in Baden ist nicht nur ein Garant dafür, neue, junge Bands zu entdecken – sondern auch Plätze, an denen man noch nie zuvor gewesen ist. Der Tag Nummer Acht führte uns nämlich an die Berufsfachschule BBB am Martinsberg. Entgegen aller Erwartungen, die die meisten von uns vermutlich mit einer Berufsschule verbinden, wird man hier nach dem Erklimmen der nicht enden wollenden Treppenstufen mit einem imposanten Anblick belohnt: Einem wunderschönen, fast schon verschwenderisch grosszügigen Bau aus den 1950er Jahren, einstmals zu Brown Boveri gehörend und heute als Ort der Bildung umgenutzt.
Den Anfang am BBB-Konzertabend machte Ella Soto im Kunstlehrstuhl. Dank ihr fühlte man sich nicht nur umgebungstechnisch, sondern auch musikalisch wieder um Jahrzehnte zurückversetzt. Die Lausannerin brachte die 90er Jahre mit nach Baden, und zwar in Form einer minimalistischen R’n’B-Pop-Mixtur mit seichtem Gesang. Das tat sie zwar sehr sympathisch, aber wirklich dafür interessieren konnte ich mich leider nicht. Vielmehr bin ich froh, gehört diese musikalische Ära der Vergangenheit an.
Mit den weiteren Treppenstufen liess man das Destiny’s-Child-Flair hinter sich und erreichte den, mit wunderbaren Plattenmustern ausgelegten Gartensaal. Für Leute mit architektonischem Gespür hatte sich die Anreise bereits jetzt mehr als ausgezahlt, nur stand die Befürchtung im Raum, akustisch den Bands weiterhin nicht gerecht werden zu können. Was bei Frau Soto noch ein Klangbrei war, das löste sich bei Culk in wunderbare Schallwellen auf. Die Gruppe aus Wien lud zum Wandel in Shoegaze und Alternative Rock, mit viel Gitarrenflächen und wunderbarer Stimmung.
Geleitet von Sängerin Sophie Löw, bot das Quartett Lieder dar, die sich dynamisch mit ernsten Themen beschäftigten. Meist in der deutschen Sprache intoniert, waren Stücke wie „Faust“ oder „Ruinen“ eine Bestandsaufnahme, eine Aussprache. Und dank dem lautmalerischen Gesang wurde man in die intensiven Emotionen gezogen, was Schlagzeug und Bass mit Wucht verstärkten.
Einen Stock weiter oben hatte sich schliesslich bereits Daniel Copeman installiert: Der Schlagzeuger und Gerätezauberer von Esben And The Witch kam mit seinem Soloprojekt Angstkiste nach Baden. Die kleine Bühne hatte er in der Mitte des Raumes aufgebaut, die Lichtshow breitete sich im gesamten Radius aus; sitzend oder liegend genoss man seine Ambientsounds, die ab und zu in Drone und Noise abdrifteten. Es hatte gleichzeitig etwas Beruhigendes und Fesselndes, ihm zuzuhören; kaum ein anderes Geräusch vernahm man sonst in der Halle. Und plötzlich öffnete man die Augen, war wieder zurück in der Welt und hatte kaum bemerkt, wie die Zeit vergangen war.
Wieder in den Tiefen der Stadtebene angekommen, drängte sich ein verjüngtes Publikum in den Konzertraum vom Werkk, denn die Hamburgerin Haiyti übernahm für eine Konzertlänge die Bühne. Harte und voluminöse Beats, Vocoder-Kurven und messerscharfe Reime – Rap, Trap und aktuelle Modeströmungen prallten zwischen viel Nebel und gleissenden Scheinwerfern aufeinander. Das war eindeutig ein starker Bruch zum vorangegangenen Programm, ermöglichte zugleich aber die Erschliessung einer weiteren Welt.
Gefallen fanden wir persönlich an diesem Auftritt etwas weniger, der jungen Frau wird aber nicht nur ihr drittes Album „Perroquet“ viele weitere Erfolge bescheren – Talent, Energie und Absichten waren während jeder Zeile heftig zu spüren.