City Slang / VÖ: 22. Februar 2019 / Pop, Electro
nogaerez.com
Text: Michael Bohli
Was denn, hat Noga Erez etwa den inneren Frieden und das Seelenheil gefunden? Wohlig erklingen die Streicher zu Beginn von „Toy“ und betten alles in eine warme Stimmung. Aber keine Angst, der elektronische und bissige Pop der israelischen Künstlerin hat bei dieser Liveaufnahme nichts von seiner eindringlichen Wirkung verloren. Zusammen mit dem Israel Camerata Jerusalem Orchester hat sie ihre Lieder vom Debüt „Off The Radar“ direkt von der Bühne aufgezeichnet und uns allen in erweiterter Fassung zur Verfügung gestellt. Das ist in Momenten wie „Worth None“ erstaunlich erhaben und hoffnungsvoll, meist aber genauso gnadenlos und kritisch wie gewohnt.
Perfekt zeigt sich dies mit „Spit“, einem bisher unveröffentlichten Lied, das Noga Erez voller Wut und Schlagfertigkeit zeigt – mit ihrem Sprechgesang zwischen den gefährlich einstürzenden Perkussionsangriffen ihrer Begleitmusiker Ori Rousso und Jacobovitz Ran. Oder dem immerzu düsteren und heftig nachwirkenden „Balkada“. Klar, man tanzt zu den Hits wie „Dance While You Shoot“, aber hinter der Unterhaltung steckt weiterhin eine scharfe Klinge, die alle scheinheiligen Akteure dieser Welt zum Bluten bringt. Politisch, aktuell und voller Lust an der Konfrontation – was wäre die internationale Popwelt ohne diese Dame.
Wer Noga Erez schon einmal auf einer Bühne erleben durfte, der weiss um ihre unbändige Energie bescheid. Somit könnte sich die Frage stellen, ob die orchestrale Begleitung nicht etwa zu aufgesetzt daherkommt. Aber die Künstlerin zuckt bei solchen Bemerkungen nur die Schultern und tanzt zusammen mit den wuchtigen Bässen und keck abgeschnittenen Melodien in die Nacht hinein. Ja, auf dem Cover ist eine violette Fliege zu sehen – aber das ist weniger Kleidungsstück als versteckte Uniform und Waffe. „Radar Reworked“ somit das beste Mittel gegen Ungerechtigkeit und Engstirnigkeit.