Heyne Hardcore / ISBN: 978-3-453-27344-3
Übersetzung: Nicolai von Schweder-Schreiner
Text: Michael Bohli
Autobiografien von Künstler*innen führt man sich dann zu Gemüte, wenn man als Liebhaber*in einer Gruppe oder Person mehr zu deren Tätigkeiten im Bereich der Musik erfahren möchte. Wie sind die legendären Alben entstanden, was ist auf Tour passiert, mit welchen Namen werfen sie um sich? Bei Mark Lanegan spielen diese Elemente nur am Rande eine Rolle, der Musiker hat für „Alles Dunkel dieser Welt“ seine vernarbte Seele geöffnet und lässt alle tief in seine erlebten Abgründe starren. In einer Sprache, die niemals ein Blatt vor den Mund nimmt und der Leserschaft einiges abverlangt.
Vom Buch Lanegans war bei uns im Frühling 2020 die Rede, als das Werk in Amerika erschien und man sich klanglich mit „Straight Songs Of Sorrow“ in die traurigen und wahren Momente begeben durfte. Nun ist „Alles Dunkel dieser Welt“ als deutsche Übersetzung erschienen, eine Erzählung über Zeiten voller Drogen, Sucht und Kriminalität. Weder sein Talent als Sänger noch seine Band The Screaming Trees konnten Mark Lanegan in Zeiten des Grunge Halt und Sicherheit bieten. Mit jeder Schlägerei, mit jeder betrunkenen Nacht rückte er tiefer in die Sucht, das Heroin kam in sein Leben und blieb lange zentraler Inhalt.
Über diese Eskapaden lässt sich Mark Lanegan in seinem dreckigen aber stets grundehrlichen Buch lange aus. Das Tourleben dient nur als Vehikel, Stoff zu beschaffen, die Platten werden aufgenommen, um genügend Geld für den nächsten Schuss sicherzustellen. Ohne Scham und Rücksicht werden blutige, schmutzige und perverse Situationen geschildert, der Autor versteckt sich nie. Das nimmt stilistische Züge eines Hunter S. Thompson an, das ist die beste Präventionsmassnahme überhaupt.
Während den Jahren starben Mark Lanegan nicht nur die Freunde weg (darunter auch bekannte Gesichter wie Kurt Cobain), sein Körper wurde ein Schlachtfeld, er verlor alles und wurde obdachlos. Doch wie wir wissen, konnte er sich im entscheidenden Moment aufraffen und steht bis heute mit seinen beeindruckenden und mitreissenden Songs auf den Bühnen der Welt. Zum Glück, denn sonst wäre seine Geschichte nie so eindrücklich erzählt worden, wie in „Alles Dunkel dieser Welt“. Ein biografisches Buch in einfacher und treffender Sprache, das melancholisch stimmt.