2MR / VÖ: 8. September 2017 / Electro, Techno
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Text: Michael Bohli
Das tolle an Musik ist ja, dass man ohne grosse Planung und ein Flugzeug zu besteigen andere Länder und Gebiete auf der Welt erkunden kann. Dies muss dabei nicht immer in einem Kulturschock enden, kann aber neue Perspektiven auf Bekanntes bieten. So auch „Ariadna“, das erste Album der russischen Künstlerin Kedr Livanskiy, welches elektronischen Pop mit Retro-Techno und House garniert. Die eher turbulente Vergangenheit ihres Geburtslandes wird dabei auch nicht zwischen trockenen Beats vergessen.
Wenn sich eine Musikerin vor allem hinter ihrem Instrument wohl fühlt, dann lassen sich Gedanken auch am besten in Klangform ausdrücken. Für Kedr Livanskiy waren die Synthies schon immer ein heilbringender Ort und eine Zuflucht, das spürt man bei Tracks wie „Za Oknom Vesna“ oder „Mermaid“. Hier gleiten Beats, Melodien und Soundteppichen ineinander und bilden eine Einheit, die andersartig nicht vorstellbar wäre. Ob sich die Stücke nun eher mythologischen oder urbanen Einflüssen hingeben, alles klingt angenehm rau und die ätherische Stimme Livanskiys bringt die benötigte Veruchtheit. Gut eingesetzte Sprachsamples und englische Stichwörter wie bei „ACDC“ brechen die Sprachbarriere auf ein Niveau hinunter, dass die Musik allen nahekommt und zum Tanz einlädt.
Ob diese Scheibe nun im verlassenen Betonrohbau, der eisigen Kälte oder im europäischen Club genossen wird, Kedr Livanskiy bietet genau die richtigen Modulationen von Roland und Korg-Synthies. Leichte Melodien ohne wirkliche Bestimmung oder in den IDM abbiegendes Clap-Feuer, veraltet ist hier gar nichts. Dass „Ariadne“ manchmal etwas dumpf wirkt ist schon richtig so, die aufblitzenden Höhen sind dann umso schneidender. Wie die ersten Sonnenstrahlen auf monatealtem Eis.