Eigenveröffentlichung / VÖ: 26. Februar 2022 / Electronica, Experimental
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Text: Michael Bohli
Was an Melodien vorhanden ist, wirkt zurückhaltend und im Zaun gehalten, die Beats sind kühl und digital. Wenn es rumort, dann bloss, weil wieder eine Hoffnung zusammengebrochen ist. «Di chalti Stadt» macht aus seinem Konzept im Namen ein Hörspiel, Kaktus Neus hat diverse Genres in die unwirtliche Urbanität geworfen und daraus ein Abbild von Befürchtungen und Missstände geschaffen.
Scheppernd und chaotisch beginnt die Erzählung mit dem kurzen «Stadtstrasse»: Die Perkussion ist verwirrend, die Worte werden lakonisch wiederholt. Danach mehr Synthesizer, mehr Sozialkritik und genaue Beobachtungen. Trip-Hop, Noise und Sprechgesang, es folgt die Öffnung und Erinnerungen an Grössen wie Massive Attack oder Burial. Kaktus Neus baut während den 30 Minuten eine packende Dramaturgie auf, die zehn Tracks sind voneinander nicht zu lösen und bieten jeweils eine weitere Facette von «Di chalti Stadt».
Wenn die Gitarren sägen und der Rock einen Pflasterstein zurückholt, ist aus den Sounds schon lange eine Alarmsirene geworden («D’Stadtgrenze»). Das Neonlicht erhellt die lebensfeindlichen Oberflächen, die Nacht wird zum Spielball von Fantasien und Lüsten («D’Schlacht»). Nach «D Robo Religion» bastelt Kaktus Neus weiter an seiner Seelenbefreiung in Mundart, Downtempo und düstere Kompositionen als Transportmittel. Nicht einmal der Drum’n’Bass reisst die depressive Grundstimmung auf, diese Platte ist wie die Nebeldecke im Mittelland: Präsent, weitreichend und mit viel Gewicht.