Suicide Squeeze / VÖ: 30. September 2022 / Indie, Pop
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Text: Michael Bohli
Als Musikerin die Stimme zu verlieren, welch Horror. Julia Kugel ist dies passiert, plötzlich wurde das eigene Dasein auf den Kopf gestellt und damit die gewohnte Umgebung verfremdet. Glücklicherweise erholte sich Kugels Körper, doch die Eindrücke und Erfahrungen blieben. Mit ihrem ersten Soloalbum «Derealization» verarbeitet die Musikerin von Bands wie The Coathangers und Soft Palms als Julia, Julia diese Momente. Aus dem Zweifel wurde schöner Indie Pop.
Pochend das Schlagzeug zu Beginn von «Fever In My Heart», nachhallend die Western-Gitarre bei «I Want You» – Julia, Julia hat praktisch alle Instrumente und Spuren auf der Platte selbst eingespielt und sich zum ersten Mal im Heimstudio in Long Beach als Technikerin versucht. Herausgekommen ist eine stimmungsvolle Scheibe, die sich mit Lo-Fi-Aspekten und Traditionen der amerikanischen Kultur schmückt («Words Don’t Mean Much»). Mal überzeugen die Melodien («Big Talkin’»), dann wieder sind es die Inhalte («Where Did You Go»), sanft und bestimmt zugleich.
Nie hat man das Gefühl, die Künstlerin befindet sich in unnahbarer Entfernung; «Derealization» ist angenehm roh und ehrlich geblieben. Soundspielereien und mehrstimmige Momente entzückend («Paper Cutout»), nie will Julia, Julia perfekte oder klinische Sounds abliefern. Man lernt mit der Platte loszulassen, weiterzugehen und die Welt noch einmal genau anzusehen.