Band: Julia Holter
Album: Aviary
Genre: Experimental / Art-Pop / Jazz
Label: Domino
VÖ: 26. Oktober 2018
Webseite: juliaholter.com
Wie es sich anfühlt, wenn ein Kopf implodiert, das weiss hoffentlich niemand von uns. Dank dem neuen Album von Julia Holter erhalten wir nun aber die Möglichkeit zu erleben, was ein im Geist einer Künstlerin so alles vorgeht, wenn die Welt um uns herum immer mehr verkommt. Da verwundert es nicht, ist „Aviary“ mit 15 Songs und 90 Minuten Spielzeit genauso lang geworden, wie es experimentell und gewöhnungsbedürftig ist. Vorbei sind die song- und harmonieorientierten Zeiten von „Have You In My Wilderness“ und „The Same Room„, jetzt geht es an die verstörenden Aspekte des Art-Folk.
Die Musik von Julia Holter war schon immer stark im Jazz und den komplexen Möglichkeiten verwurzelt. Die Abkehr vom klassischen Songformat geschieht nun aber fast immer, „Aviary“ ist eine Reise durch Ideen, Skizzen und Versuche. „Voce Simul“ bezirzt mit der Harfe, flirrenden Melodien und hallendem Gesang – worauf mit dem schrägen und von Dudelsackschreien durchzogene „Everyday Is An Emergency“ sogleich ein Bruch folgt. Nein, dieses Album dient weder zur Entspannung noch der Schönheit, hier wird eine mögliche Zukunft des Wahnsinns auf eine riesige Leinwand gemalt. Innehalten darf man mit den beruhigenden Singles „I Shall Love 2“ oder „Words I Hear“, dies dient aber nur zum Kontrast.
Viel lieber lässt Julia Holter vor unseren Ohren ein Epos entstehen, das sich sowohl der Klassik („Colligere“) wie der Popmusik bedient. Je länger man sich mit dem Doppelalbum beschäftig, desto tiefer werden die Strukturen und Erzählungen. Einzelne Ansätze von Melodie und Takt werden zu gefühlvollen Eckpunkten, der Gesang zum ständigen Begleiter und Kraftgeber. „Why Sad Song“ heisst es am Schluss, und trotz Melancholie und Schwere des Albums fühlt man sich nach diesem Genuss erfahrener und weiser.
Tracklist:
1. Turn the Light On
2. Whether
3. Chaitius
4. Voce Simul
5. Everyday Is an Emergency
6. Another Dream
7. I Shall Love 2
8. Underneath the Moon
9. Colligere
10. In Gardens‘ Muteness
11. I Would Rather See
12. Les Jeux to You
13. Words I Heard
14. I Shall Love 1
15. Why Sad Song
Bandmitglieder:
Julia Holter – Gesang
Corey Fogel – Perkussion
Devin Hoff – Bass
Dina Maccabee – Geige und Gesang
Sarah Belle Reid – Trompete
Andrew Tholl – Geige
Tashi Wada – Synthesizer und Dudelsack
Gründung:
2006
Text: Michael Bohli