Unit Records / VÖ: 25. Januar 2019 / Experimental, Electronica
wearefell.com
Text: Michael Bohli
In der kleinen Gemeinde Peiden im Graubünden zu leben, das ist eine abenteuerliche Angelegenheit. Jedes Jahr rutscht die gesamte Ortschaft mit allen Häusern immer weiter talwärts, der Boden scheint nicht für die Ewigkeit geschaffen. Warum also die instabile Situation nicht nutzen, um in den leerstehenden Gebäuden ein experimentelles Album aufzunehmen? Das dachten sich Schweizer Schlagzeuger Simon Berz und der holländische Künstler Tom Verbruggen (Toktek), welche mit ihrem Projekt Fell letztes Jahr die Umgebung und den Ort zu einem musikalischen Erlebnis ummünzten.
Aufgeteilt in acht Tracks ist „Peiden“ weniger ein Album voller Songs, als ein kohärentes und wandelndes Ganzes. Zwischen Alphornbläser und sich blökenden Tieren ist eine Forschung der experimentellen Electronica eingebettet, die zwischen verspielten Schlagzeugmustern und übermütigen Effekten ihre Resultate sucht. Fell befinden sich in allen Stücken in gegenseitigen Gesprächen, gehen auf die Ideen des Gegenüber ein und beeinflussen den Ausgang der Musik. Wobei sich die Band immer wieder selber zu Fall bringt, um jegliche Konventionen zu unterbinden.
Das Resultat ist erstaunlicherweise viel entspannter und beruhigter, als man es von Fell erwarten würde – besonders, wenn man das Duo live erleben konnte. „Rutch“ ist voller Flächen und geschickter Polyrhythmik, die weiteren Liedern wagen das Einbinden der Geräuschwelt. Gegenstände, Oberflächen, Handlungen – alles wird elektronisch vermengt und perfekt fliessend in die Musik eingebunden. Mit „Diagonal Jesus“ wird der Schluss dann gar wuchtig und rumorend, als ob sich der Berg noch stärker aufbäumen würde. Ein packendes Album, in jedem Belang.