29. September 2019
Royal – Baden
Bands: Dagobert / John Moods
Zeitmaschinen existieren schon lange, man muss nur wissen, wo man diese findet. Umso passender, vollbrachte eine bunt gemischte Menge an Leuten den Sonntagabend im Royal Baden unter dem Motto „Welt ohne Zeit“, ein paar Stunden, in denen man sich und den Rest vergessen konnte. Eingetaucht in Geschichten um die Liebe, bejubelte man einen Musiker, der zwar aus dem Aargau stammt, aber eigentlich als Berliner Künstler wahrgenommen wird. Dagobert, sehnsüchtiger Sänger, verlorener Romantiker und Träger von Uli Jon Roth-Shirts.
Mit seinem neuen und mottogebenden Album „Welt Ohne Zeit“ hat Dagobert zu Beginn dieses Jahres bewiesen, dass man sehr wohl plakativ über die Liebe singen kann, ohne in den Schlager abzudriften. Gerade „Du und ich“, welches auch im Royal wieder mein Herz stark schlagen liess, oder das intime Keyboardstück „Uns Beiden Gehört Die Vergangenheit“ waren Paradebeispiele. Zuckrige Wortwahl nahe dem Abgrund, aber ohne falschen Unterton und somit Wahrhaftig – eine Gratwanderung, die im Jahre 2019 eigentlich nicht mehr funktionieren sollte. Wir waren alle hin und weg.
Mit einer gesunden Mischung aus alten Liedern („Ich bin verstrahlt“, „Afrika“) und neue Schmonzetten spielten sich Dagobert und seine Musiker in einen Auftritt hinein, der alle Gefühle bereithielt und sich an Intensität immer mehr steigerte. Gitarrist im Publikum, heftige Klangwände, Stagediving vom Frontmann selber – „Hast du auch so viel Spass“ war keine Frage, es war eine Norm. Und gerade die geschickt aufgebaute Setlist sorgte für viele, mitreissende Momente. Melancholie folgte auf manische Situationen, „Zehn Jahre“ und „In all unseren Leben“ gaben sich ohne Scham der Träumerei hin.
Zwischen Wave-Pop und Balladenkino, mit eigener Leuchtreklame und langem schwarzen Mantel – Dagobert inszenierte sich mit seinen Begleitern als zeitlose Person, aus der Gesellschaft gefallen mit seiner unverblümten und romantischen Weise. „Flashback“ ganz klar, in alte Tugenden der Musik, in eigene Erinnerungen und alte Beziehungen, und zugleich den Glauben an eine bessere Welt. Für einen Sonntagabend gar keine so schlechte Grundlage.
Noch weiter und noch extremer versuchte sich John Moods, ebenfalls aus Berlin angereist, im Vorprogramm mit seinen Achtzigern-Pop-Liedern an den Hits unserer Eltern. Jugendzimmer und Keyboard mit Drumcomputer, Bewegungen wie bei der Karaoke-Party im Keller der Lavalampen, Liebe und andere Unmöglichkeiten in den Texten. „The Essential John Moods“ nennt der Herr sein Album und ja, an die Substanz ging es auch in Baden. Was früher bei Mike & The Mechanics und Konsorten zu Radiohits führte, das wurde nun via iPhone und Gitarre zur Vergangenheitsbeschwörung ohne Ironie. Nicht immer einfach, dafür überraschend und royaltauglich – inklusive Tanz in der Menge.
Text: Michael Bohli