Warum Musik? Wieso Konzerte? – Folge sieben
Die Wolken waren nur kurz weg, aktuell sieht es sogar düsterer für die Kulturszene aus als zu Beginn des Jahres. Der Lockdown verhinderte im Frühling das kreative und kommerzielle Schaffen, Häuser und Clubs wurden geschlossen, Tourneen abgesagt. Nach einer kurzen Atempause steht die Schweiz wieder an demselben Punkt – die Regeln und Vorschriften verunmöglichen den Alltagsbetrieb.
Aber warum ist Musik denn wichtig für uns Menschen und die Gesellschaft? Wieso ist es falsch auf Kultur verzichten zu wollen? Und was bedeutet es für die Szene Lieder zu hören, zu spielen und Konzerte zu erleben? Mitglieder*Innen von unserem Team geben ihre persönlichen Gedanken preis. Mögen wir nie verstummen, mögen die Lichter wieder scheinen.
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Kathrin Hirzel – Fotoredaktion, Vorstand
In traurigen Momenten ist für mich Musik wie Sonne für die Blätter, in guten Tagen wie das Wasser für die Wurzeln der Bäume. Musik steht immer zur Verfügung und stellt nie Fragen. Musik berührt, Musik verzaubert, Musik begeistert, Musik lässt mich in meine Melancholie abtauchen, Musik ist mein Katalysator für den Weltschmerz, Musik ist mein Motivator und treuster Lebensbegleiter.
Konzerte sind für mich so viel mehr als einfach Musik zu konsumieren. Es ist ein Gesamterlebnis, welches alle Sinne berührt. Meine Art Gruppenmeditation, unkompliziert Gleichgesinnte treffen können, zusammen im Klangfeld abzudriften, diese Momente gemeinsam zelebrieren, danach darüber diskutieren. Musik kennt keine Grenzen und das macht die Liveerlebnisse grossartig. Egal welche Sprache du sprichst, egal welche Kleider du trägst, egal wie dick dein Geldbeutel ist, alle stehen vereint vor den Bühnen, an Festivals und frönen gemeinsam ihrer Leidenschaft und lassen ihre Seele berühren.
Michael Messerli – Redaktion
Musik füllt den Raum. Sie füllt Lücken, kriecht in Ecken und macht dort Licht, wo es dunkel ist.
Sie übertönt Geräusche oder Stimmen, sie verstärkt Gefühle oder Stimmungen und sie beflügelt Gedanken.
Musik erzählt Geschichten und begleitet deine eigene. Sie verbindet, verknüpft und schafft Bedeutung.
Sie transportiert Gefühle. Bringt sie zu dir oder dich zu ihnen, lässt dich teilhaben oder nimmt dich mit.
Das alles ermöglicht Musik. Sie ist nicht gut oder schlecht. Aber sie kann für Gutes oder Schlechtes stehen.
Die Frage ist also nicht, was sie für dich leistet, sondern was du daraus machst.
Anna Wirz – Fotoredaktion
„Give me all the peace and joy in your mind“
Muse – Bliss
„Won’t you dance like a monster with me? / Like a flare, like a gun, like a boss this goes off”
Editors – Frankenstein
„We’re flying high / We’re watching the world pass us by / Never want to come down / Never want to put my feet back down on the ground“
Depeche Mode – Never Let Me Down Again
Berend Stettler – Fotoredaktion
Von einem Virus befallen zu sein, muss nicht zwingend etwas Schlechtes sein. Ich bin seit Jahrzehnten mit dem Musik- und Konzertvirus infiziert. Und ich liebe diese beiden Viren.
Warum Musik? Weil Musik der Weg in unendlich viele bekannte und unbekannte Welten ist. Musik ist grenzenlos und lässt mich treiben. Lässt mich aufblühen. Lässt mich erschauern. Lässt mich springen. Musik macht glücklich, macht traurig, macht nachdenklich. Musik ist alles. Wer käme auf die Idee, Musik in Frage stellen?
Warum Konzerte? Weil ein Konzert alle Sinne in Gang setzt und es der perfekte Ort ist, um Musik gemeinsam zu erleben. Wer liebt es nicht, ein schweisstreibendes Konzert an einem heissen Julitag im ausverkauften und schlecht belüfteten Haus zu besuchen? Wer liebt es nicht, bei Minustemperaturen eine Stunde vor dem Eingang auf den Einlass zu warten und mit anderen Fans über den Künstler zu quasseln? Wer liebt es nicht, an einem Festival mit tausenden von Fans im strömenden Regen auf die nächste Band zu warten, deren Auftritt sich um eine Stunde hinauszögert? Eben. Ich freue mich unglaublich darauf, dies bald wieder erleben zu können.
Manuela Haltiner – Fotoredaktion
„I want something good to die for to make it beautiful to live“
Queens of the Stone Age – Go with the flow
Für mich deckt dieses Zitat ein Konzert und Musik treffend ab.
Cornelia Hüsser – Redaktion, Vorstand
Die sozialen Einschränkungen während der Pandemie haben im Kulturbetrieb zwar viele kreative Ideen hervorgebracht – digitale Museen, Buch-Abos, Theater-Rundgänge im Freien –, doch was mir schmerzlich fehlt, sind Livekonzerte. Keine Frage, Konzertaufnahmen wie „Idiot Prayer„, das Nick Cave ganz allein im leeren Alexandra Palace zeigt, sind wunderbar und berührend. Aber nichts ersetzt die Vorfreude vor einem Konzert, für das man schon seit einem halben Jahr Karten hat; den Bass, der sich dann durch den Körper wummert; die Euphorie, die sich zwischen Publikum und Musikern aufbaut. Ja, sogar die Schweissbäder und Bierduschen fehlen mir, der klebrige Boden beim Verlassen des Clubs und das anschliessende komplett erschöpfte Ins-Bett-Fallen. Konzerte sind immer eine kleine Flucht aus dem Alltag, ein Urlaub von der Gleichförmigkeit und so viel besser als jede Stereoanlage, die ich mir ins Wohnzimmer stellen könnte. Ich hoffe, dass wir das schon bald wieder teilen dürfen.
Nicole Imhof – Fotoredaktion, Vorstand
Es ist ein schönes Gefühl, wenn unsere Konzertbilder, gerade in dieser konzertfreien Zeit, ein Lächeln herbeizaubern können. Dann weiss ich, alles kommt wieder gut und Livemusik wird wieder stattfinden.
David Spring – Redaktion
Konzerte sind Balsam für die Seele. Wo sonst kann man angeschrien werden und sich dabei so gut fühlen? Wo sonst schmeisst man sich an fremde, schwitzende Menschen, tut sich weh dabei und geniesst das so sehr, dass man immer mehr davon will? Wo sonst liegt man sich mit Tränen in den Augen in den Armen, springt Fäuste ballend in die Luft, lacht, schreit, jubiliert, weint und lässt seinen Gefühlen freien Lauf? Wo kümmert man sich nicht um Morgen und lässt sich gehen, ganz egal ob am nächsten Tag mal wieder der Tinnitus hallo sagt oder ein paar blaue Flecken mehr dazu gekommen sind? Wo sonst kann man sich vogelfrei und unabhängig fühlen und gleichzeitig Teil einer Community sein, in der man ist, wer und was immer man auch sein will, da die Liebe zur Musik am Schluss alle verbindet? Wo sonst kann man den Alltag vergessen und alle Sorgen für ein paar Stunden draussen lassen? Nichts ermöglicht all dies besser und bringt uns näher zusammen, als Live-Musik und ein gutes Konzert es zu tun vermögen. Möge dies bald irgendwann wieder möglich sein.
Michael Bohli – Chefredaktion
„Some people say it’s just rock and roll
Oh but it gets you right down to your soul“
Nick Cave & The Bad Seeds – Push The Sky Away
„The air is clean
Your skin is clear
I’ve had enough of
hanging round here
It’s a different kind of conversation
In your blue room“
U2 – Your Blue Room
„Will you be
Yourself for me
Cause I can take it
I can stand
Anything
When you’re with me“
Marillion – Neverland
Zusammenstellung: Michael Bohli