23. November 2019
Neubad – Luzern
Band: The Notwist
Es würde ein spezieller Abend werden, das war bereits vor Veranstaltungsbeginn klar. Die grossartigen Notwist aus Deutschland besuchten die Schweiz nämlich nicht für ein ordinäres Konzert, sondern luden zu einer Reise in selten gehörte Kompositionen ein. 2015 unter dem Namen „Messier Objects“ teilweise auf Platte gepresst, versammelten sie im Neubad Einblicke in das kreative Schaffen auf anderen Wegen. Auftragsarbeiten für Film und Theater, Experimente, instrumentale Versuche – wenig Mitsinghits, dafür die Essenz der Band, das ewige Forschen, das Zaubern. Toll wurde das ehemalige Schwimmbecken im Hallenbad dafür mit Teppichen ausgelegt und Instrumenten vollgestellt.
Abenteuerlich sind die Auftritte von Notwist, welche vor dreissig Jahren durch die Brüder Markus und Micha Acher gegründet wurden, immer, das durften wir in Basel und Zürich erfahren, das bemerkt man, wenn die Liveversionen mit den aufgenommenen Stücken verglichen werden. Viel zu Vergleichen gab es an diesem Samstag aber nicht, denn die erste Hälfte des Konzertes kann man selten nachhören. „Das Spiel ist aus“ war zum Glück nicht das Ende, sondern die Einladung in tiefe, musikalische Spielereien. Einzelne Gitarrenfetzen durchschnitten langsame Steigerungen, mantraähnlich das Schlagzeugspiel von Andreas Haberl. Die Zuschauer verfielen in eine Art Hypnose, die Band spielte ohne klare Songgrenzen.
Im Hintergrund flackerten und leuchteten die Projektionen, kernige Farbflächen, einzelne, geometrische Formen – wie die grafische Gestalt der gespielten Stücke. Unglaublich wie elegant Notwist dies alles passieren liessen, wie wenig Absprache nötig war um zwischen Keyboards, Xylophon, Gitarren und viel Gerätschaften zu wechseln. Glücklicherweise konnte man die Band von leicht erhobener Position beobachten und sah, wie jede Tonspur minutiös erschaffen wurde. Chaospads, Vinyl-Scratching, feinste Glöckchenklänge: Das grenzte am Ingenieurwesen, das war niemals nur Indie-Electronica-Art-Rock.
Emotionen und Melancholie wurden bei diesem Aufgebot an Arrangements nie vergessen, die typischen Stimmung breitete sich schnell im Neubad aus. Und als die Band für den zweiten Konzertteil dann die geliebten Hits wie „Kong“ und „Gravity“ auspackte, da erhoben sich die Besucher*innen, da kennte der Jubel keine Grenzen. Wieso auch, Notwist waren wie immer perfekt, mitreissend, fesselnd – auch wenn das Gerüst der Stücke erstaunlich eng blieb. „Gone Gone Gone“ gab der sanfte Ausstieg aus dem Musiktraum, man schüttelte sich kurz durch und fühlte sich erfüllt, bestätigt. Eine Leere aber bleibt nach diesem Abend: Der Wunsch nach einem neuen Album, die Lust nach mehr Material. Bitte kommt bald wieder, liebe Notwist.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Loose Ends
2. Das Spiel ist aus
3. Object 9
4. Object 6
5. Solo Swim
6. Object 11
7. Markus II
8. Night’s Too Dark
9. 0-4
10. Lineri
11. Free Jazz
Pause
12. Kong
13. Pick Up the Phone
14. One With the Freaks
15. Men of Station
16. Gravity
Zugabe
17. Consequence
18. Gone Gone Gone
Text: Michael Bohli