Mascotte – Zürich
Mittwoch, 18. Mai 2022
Text: Michael Bohli / Bilder: Nicole Schaad
Plump und oberflächlich ist Noga Erez nicht, das weiss man bei kurzer Beschäftigung mit ihrer Musik. Je länger das Eintauchen in die kreative Welt der Künstlerin aus Israel dauert, desto intensiver wird die Bindung und grösser die Botschaften. Dass das Mitsingspiel «We Swallow» keine anrüchige Note hatte, war spätesten mit dem vorangegangenen Teilsatz «They Spit» klar. Musik für das neue Jahrtausend, live schweisstreibend im Mascotte dargeboten.
Wie wenig ich diesen Aspekt an Konzerten vermisst habe: Eng gedrängt in einem überfüllten Club auf die Show zu warten, währenddessen sich immer mehr Leute nach vorne schieben. Immerhin sommerlich hitzig und freudig aufgeladen die Atmosphäre am Mittwochabend in Zürich – Noga Erez kam endlich vorbei, um ihr aktuelles Album «KIDS» vorzustellen. Gleich mit dem ersten Stück «You So Done» erbebte der Club, die Bässe brummten tief, die Synthesizer- und Perkussionsspuren schnitten sich durch die stickige Luft.
Die moderne Mischung aus Sprechgesang, harten Rhythmen und Beats, melodischen Spielereien und furchtlosen Texten haben die Musikerin in den letzten Jahren immer grösser werden lassen. Das Konzert im Mascotte zeigte wieso. Mit jeder Minute schafften es Noga Erez und ihre Begleiter, Hits wie «Cipi», «Fire Kites» oder «Dance While You Shoot» messerscharf und aufregend darzubieten. Die Lieder bauten sich auf, fielen in sich zusammen und stiegen dann noch lauter über die Galerie hinweg zur Decke. Es war laut, wuchtig und mitreissend. Wut, Weitsicht und Spass als Einheit, die Leute bedankten es mit viel Jubel und Tanzbewegungen – kollektives Hüpfen inklusive.
Seit «Off The Radar» die Welt im Sturm eingenommen hat, ist die politisch-laute Popmusik wieder aufregend. Stücke wie «Views» und «No News On TV» zementierten diese Wahrnehmung, das Kendrick Lamar-Cover «Black Friday» liess die Rap-Fähigkeit von Noga Erez schillern. Nicht einmal der steife und verkrampfte Hals konnte sie von einer verausgabten Show abhalten. Die Frau bespielte die absurd breite und viel zu wenig tiefe Bühne des Clubs mit Energie, echter Begeisterung und Menschlichkeit. Als besonderes Geschenk durfte man verschwitzt die noch unveröffentlichte Single «Nails» entdecken, herrlich.
Etwas zurückhaltender die Stimmung beim Support von Magi Merlin, welche mit ihrer «Drug Music» ein paar Jahrzehnte zurückblickte und den R&B-Pop der Neunzigerjahre zelebrierte. Ihre fähige Stimme schlängelte sich um das wilde Bassspiel auf fünf Saiten, die Synthesizer und Beats kamen etwas leise ab Band. Man liess sich durch die Wärme im Raum einlullen und war von der offnen und direkten Art der Kanadierin überzeugt.
Als gegen Ende des kurzen Sets der Drum’n’Bass im Mittelpunkt eines Songs stand, war Widerstand zwecklos. Aufwärmen, Mitmachen, Zusammensein. Dieser zweiteilige Exkurs ins Feld der heutigen Popmusik war famos.