31. Januar 2020
Moods – Zürich
Webseite: matchandfuse.ch
Bands: Ark Noir / District Five / Hilde Marie Holsen
Einen Flächenbrand wurde nicht ausgelöst, als im September 2017 das erste Match & Fuse Festival in Zürich seine Funken versprühte (unsere damaligen Berichte zum Freitag und Samstag), genügend Flammen konnten sich aber halten, um eine weitere Ausgabe zu rechtfertigen. Zum Glück, denn die Vereinigung, welche seit 2011 in Europa für neue Zusammenschlüsse von Klängen, Sounds und Menschen sorgt, ist zu wichtig, um hierzulande nicht beachtet zu werden. Dieses Jahr nebst einigem Vorgeplänkel reduziert auf das Konzertlokal Moods und mit „nur“ drei Acts pro Abend, trotzdem fordern und erfrischend.
Es geht bei Match & Fuse immer darum, Konventionen herauszufordern, zu brechen und mit progressivem Denken zu mischen. Ob akustisch oder elektronisch, Jazz oder wilde Experimente, alles führt zu einer neuen Wahrnehmung. So auch an diesem Freitagabend, als Hilde Marie Holsen aus Norwegen mit ihrer Trompete alleinig den Platz auf der Bühne einnahm. Ohne Worte begann sie ihr Set, das aus einer ununterbrochenen Improvisation bestand und liess alle Anwesenden gebannt zurück.
Mit Laptop, Loopgerät und Software wurden die einzelnen Trompetenstösse zu Drones, in der anfänglichen Ruhe wuchs die Entropie, Loops und Glitches zerstäubten die naiven Vorstellungen. Blech wurde in Holz verwandelt, Holsen zeigte sich als Magierin der zeitgenössischen und formgelösten Musik. Gut gab es eine Pause nach ihrem Auftritt, denn nach diesen Klängen musste man sich zuerst wieder mit der Umgebung vertraut machen.
Diese kennen District Five mehr als gut, nicht nur wegen ihrem Namen, der die Jazz-Kombo klar in die Region des Schiffbaus bringt, sondern wegen ihrer Herkunft. In Zürich verankert, in den Traditionen wühlend, mit Elan und viel Energie im Moods spielend – Tapiwa Svosve (Saxophon, Synthesizer und Stimme) liess mich staunen, als er offenbarte, dass die Band seit der Vollendung des kommenden Albums die Lieder noch nie live gespielt habe.
Doch wer seine Instrumente so gut beherrscht wie dieses Quartett, der muss sich vor Herausforderungen nicht fürchten, der gestaltet sie selber. Wirbelnd und wuchtig, in komplexen Strukturen versunken, dann wieder in geöffneten Passagen aufgehend, das war Musizieren in Höchstform. Ark Noir aus Deutschland liessen sich dies nicht zweimal sagen und hielten das Niveau zum Abschluss mindestens gleichhoch.
Das Kollektiv aus München liess die schweren und dunklen Sounds aus der Verbannung und sorgte mit Keyboard, Bass-Gewummer und verzerrten Gitarren für eine passende Ergänzung zum flackernden und blitzenden Licht. Wie schon bei District Five sorgte auch bei Ark Noir der Schlagzeuger für den höllischen Antrieb, mit Kompositionen zu wilden Nächten in Prag und einem perkussiven Feuerwerk. Ruhiger aber gleichermassen eindringlich danach die Hommage an Carola Rackete, ein endgültiger Beweis, dass kontemporärer Jazz sehr wohl menschlich und solidarisch ist.
Und eine gute Begründung, wie wichtig und augenöffnend ein Festival wie Match & Fuse in der heutigen Zeit ist, gegen Vorurteile, gegen zu enge Horizonte, gegen schädliche Gleichförmigkeit.
Text: Michael Bohli
Bilder: Kathrin Hirzel