8. Dezember 2019
Schüür – Luzern
Band: Martin Kohlstedt
Miteinander zu kommunizieren ist theoretisch einfach, wenn alle Beteiligten dieselbe Sprache sprechen. Wie aber geht man vor, wenn man das Gegenüber verbal nicht versteht? Man versucht vielleicht, mit Empfindungen und Klängen eine Botschaft zu übermitteln. Wunderbar wurde dies im SF-Klassiker „Close Encounters Of The Third Kind“ mit Licht- und Synthesizerorgeln dargestellt – leicht entrückt und doch greifbar. Inmitten dieser Szenerie fand man sich am Sonntagabend in der Luzerner Schüür ein – Martin Kohlstedt verführte zu einem Konzertabend ohne viel Erklärungen und Normen.
Der Deutsche Pianist und Komponist beendete seine Konzertwoche in der Schweiz mit einem Auftritt im Dachstock, an dem nicht nur viele neugierige Besucherinnen und Besucher teilnahmen, sondern die Welt kurz ausgeblendet wurde. Zwischen improvisierten Passagen und klar geplanten Arrangements vollführte der gefeierte Künstler eine abenteuerliche Fahrt zwischen klassischen Klaviermelodien und dröhnenden Bässen. Wie laut und wuchtig diese Stücke teilweise waren, das hatte so wohl niemand erwartet – die Entschuldigung von Martin Kohlstedt wäre trotzdem nicht nötig gewesen.
Offenherzig und immer leicht in seiner musikalischen Welt versunken, erzählte der Musiker zwischen den Konzertabschnitten nicht nur, was gerade in seinem Kopf vorging, sondern wie er eine Darbietung eigentlich angeht. Intuitiv und von den eigenen Emotionen geleitet, je nach Entwicklung der Improvisationen und dem Gelingen der zusammengeführten Lieder. Schön, dass Martin Kohlstedt an diesem Sonntag viel Freude am Spiel verspürte, Wagnisse einging und selber erstaunt war, wie gut alles klappte. Sogar die „schulische“ Zugabe, welche den Bogen zu seinen Anfängen als Pianist spannte und mit hohem Tempo und viel Witz das Konzert kontrastierte.
Meist lag der Fokus auf natürlich fliessende Wechselwirkungen zwischen sanften Tastenformationen und erhabenen Synthesizerflächen – leichte Beats, geschickt angegangene Loops und schräge Tonfolgen inklusive. Wie unbekannte Sprachen klingen könnten. Martin Kohlstedt zeigte sich als Dirigent eines analog-digitalen Orchesters, sprengte die Grenzen zwischen Pop, Neo-Klassik und Electronica. Und bot sogar Stellen, die mich an „Telegraph Road“ von Dire Straits erinnerten. Ein beeindruckendes Konzerterlebnis, erholsam und mitreissend zugleich.
*Um eine Erklärung für die Titelwahl zu bieten: VMS IDS steht hier ganz plump für „viele Minuten Schönheit in der Schüür“, inspiriert durch die Handhabung des Künstlers, seine Stücke mit drei Grossbuchstaben zu bezeichnen und dessen erste Komposition „One Minute Beauty (OMB)“.
Text: Michael Bohli