27. August 2017
Badenfahrt – Baden
Bands: Mister Milano
Website: badenfahrt.ch
Das war er jetzt also, der letzte Nachmittag vor der alternativen Bühne Polygon an der Badenfahrt 2017. Was zuerst wie ein unendliches Fest wirkte, ist nun nach zehn ereignisreichen und immer wieder überraschenden Tagen doch vorbei – aber die Erinnerungen werden noch lange in den Köpfen und Herzen der Besucher weiter schwingen. Und damit der Abschied nicht ganz so schwer ausfiel, durfte man zusammen mit der Künstlerin Patti Basler die gesamte Feier noch einmal Revue passieren lassen.
In einem wirklich perfekt ausgedichteten Vers nahm Basler noch einmal die Festgebiete, die Beizen, die Besucher und die Eigenheiten dieses Anlasses unter die komödiantische Lupe. Nicht selten erkannte man sich selber in diesen spitzen Bemerkungen. Was darauf musikalisch folgte, war zwar nicht ganz so frech, aber auch nicht alltäglich. Denn die Band Mister Milano gibt sich zwar durch und durch italienisch, stammt aber aus Zürich. Max Usata und Igor Stepniewski von Puts Marie haben sich mit Schlagzeuger Lou Caramella zusammengetan, um den Disco-Schmalz mal gehört umzukrempeln.
Denn ihre Musik klingt so, als wäre der Krautrock damals in einer italienischen Dorfdisco in den Achtzigern erdacht worden. Dies klingt weiterhin so, nur braucht man jetzt Mister Milano. Lange Songs treffen auf verzerrte Orgeln, mischen sich mit kitschigen Keyboards und einem lasziv gespielten Schlagzeug. Dank Frontmann Usata und seinen in italienisch gesprochenen Texten schwingt der Musik eine zusätzliche Apathie bei, ganz als Gegenpol zu der immer düsteren Klanglandschaft. Beats und Orgel-Wände türmen sich auf, von den eigentlichen Liedern fallen mit jeder Minute weitere Teile der Maske ab.
So bleibt auch vom Franco Battiato-Cover „Bandiera bianca“ nicht mehr viel luftige Leichtigkeit übrig, hier wird es basslastig und ernsthaft mysteriös. Ob dies nun immer ganz ernst gemeint ist spielt keine Rolle, die Musik von Mister Milano ist frisch, anders und immer glamourös – und eine dieser Entdeckungen, für die sich der Besuch bei der Polygon immerzu lohnte. Wie auch der nächtliche Gang zum Stadtturm, gab es doch zum Abschluss der Feierlichkeiten noch eine wunderbare Videoprojektion von Künstler Andi Hofmann. Der Mann kann nicht nur Bands visuell ergänzen, auch ganze Häuser wurden unter seiner Feder zu einem Naturschauspiel. Bis in zehn Jahren?
Text: Michael Bohli