Rote Fabrik – Zürich
Freitag, 9. Juli 2021
Text: Michael Bohli
„We travel the light / what should we do now / where will we be“
Urplötzlich ist sie da, die Erkenntnis, dass sich die wahrgenommene Welt erneut verändert hat. Ist es ein Zurückkehren? Hoffentlich nicht. Ist es eine Wiedergeburt? Gewissermassen. Mit den zitierten Sätzen aus dem Song „We Travel The Light“ trafen /A\ meine Verfassung am Freitagabend ziemlich gut und vermochten es sogar, die vergangenen Monate (fast schon spricht man von Jahren) prägnant zu verdichten. Ich stand inmitten von Leuten, neben Freund*innen und Unbekannten, wir alle richteten unseren Blick in Richtung der Bühne und wurden von der intensiv vermissten Erfahrung eines Livekonzertes berührt.
Emilie Zoé, Franz Treichler und Nicolas Pittet spielten zum ersten Mal als neu gegründete Band /A\ ein Konzert, ebenfalls eine Neukreation aus bekannten Elementen. Die Seebühne der Roten Fabrik erlebte diese Premiere, die Anwesenden begrüssten die Musik euphorisch. Zwischen den rhythmisch-technischen Elementen von The Young Gods und der kargen Lo-Fi-Ästhetik von Frau Zoé wanderten die Lieder umher, um sich immer wieder in langen Passagen laut angeschlagener Gitarrensaiten und treibenden Rhythmen zu verlieren. Was auf dem Debütalbum bereits beeindruckte, liess als Darbietung noch grössere Wucht entstehen.
„Grain Sand and Mud“ kostete den Wechselgesang aus, drückte mit vollem Gewicht auf den Takt und liess die Riffs in die Höhe schnellen. „Our Love is Growing“ hiess ein gespielter Song, der sich lange dahinzog und nicht nur mit seinem Namen greifbar machte, was alle vor Ort bemerkten. Die Dürreperiode der isolierten Zeit scheint langsam zu Ende zu gehen – nur leider konnten /A\ weder eine Zugabe noch ein unendlicher langer Gig spielen. Wie wäre es also, die Formation mit einer Bassistin zu erweitern1 und dann in naher Zukunft uns alle erneut mit einem doppelt so langen Programm zu beglücken?
Noch in sonniger Stimmung und voller Erwartungen auf die kommenden Momente ergab sich die Begegnung mit der Musikerin Verveine aus Vevey. Ihr elektronisch-düsterer Popstil eröffnete den sommerlichen Konzertabend und liess Songs vom Album „Hotdrama“ zwischen Publikum und Infrastruktur umherwabern. Sonst eher nächtlich gehörte Songs, bezirzten die Kompositionen von Joëlle Nicolas innert kurzer Zeit. Sequenzen, Bassspuren und die Gesangsmelodien formten Lieder mit offenen Strukturen und prägnanten Passagen.
Was teilweise durch die Phrasierung an Björk erinnerte und die Erwartungen an elektronische Popmusik immer wieder unterwanderte, liess einen faszinierenden Sog entstehen, der sich heimlich in die Körper schlich und nicht mehr losliess. Verveine sollte auch in der Deutschschweiz viel grösser sein, der Auftritt bei der Roten Fabrik bewies dies.
1: Gespräche am Abend ergaben, dass Bassistin Judith Breitlinger von der Basler Gruppe Asbest /A\ wunderbar erweitern würde. Make it happen.