21. und 22. August 2019
Rümlang – Zürich
Webseite: zurichopenair.ch
Bilder vom:
Mittwoch 21. August 2019
Donnerstag 22. August 2019
Auch im Jahr 2019 macht das Zürich Openair wieder den Abschluss des Festivalsommers als letztes der grossen Schweizer Openairs. Klar dass man da jeweils nochmals richtig auftrumpfen möchte. Daher steht das Zürich Openair seit Jahren für ein Line Up, welches heraussticht. Dieses Jahr fand man auf dem Festivalplakat illustre Namen aus den Sparten Pop, Indie und Electro wie Billie Eilish, Foals oder The Chemical Brothers. Und einer dieser Namen sorgte für einen unerwartet heftigen Besucheransturm. Aber beginnen wir von vorn.
MITTWOCH
Während man normalerweise am Mittwochnachmittag denkt: „Puh, die Hälfte der Woche ist um. Noch zwei Tage, dann ist wieder Wochenende!“, so war das Wochenende diese Woche bereits mit dem anstehen fürs Festival-Bändeli da. Und es sollte eines voll mit guter Musik werden. Auch wenn der Start des Zürich Openair 2019 noch etwas verhalten war. Das Festival eröffnen durfte der Berner Rapper Landro auf der Tent Stage, welche zu diesem Zeitpunkt noch praktisch leer war. Das änderte sich dann aber im Verlaufe des Auftritts. Die poppigen Trap-Beats und die eingängige, sympathische Stimme und Art des Berners wurde auf dem Platz offenbar gehört und so tauchten nach und nach ein paar neugierige Gesichter im Zelt auf. Rappelvoll war der Laden zwar noch nicht, aber das macht auch nichts. Landro hatte Spass und das Publikum dankte es ihm mit wohlwollendem Jubel.
Langsam trudelten die Leute ein. Dies zeigte sich bei der nächsten Band, welche als erster Act auf der Mainstage dran waren. Der Platz vor der Bühne war bei The Amazons nämlich schon wesentlich besser besetzt. Und der Stadionrock der Engländer fand anklang. So wurde das erste Mal ausgelassen getanzt, was der Band au der Bühne sichtlich zu gefallen schien. Solider Auftritt einer noch jungen Band, welche in Zukunft wohl auch höher oben in den Line-Ups der Indie-Rock-lastigen Festival stehen wird.
Das Zürich Openair ist gerade für Menschen toll, die sich nicht nur auf ein Genre festlegen wollen und einen breitgefächerten Musikgeschmack haben. Nach den Amazones war auf der Tent Stage nämlich Turn Up angesagt. Für diesen sorgte das kanadische Energiebündel Tommy Genesis, welche mit ihrem Trap-Sound und ihren meist sehr anzüglichen Texten bereits international für Furore gesorgt hat. Am Zürich Openair hüpfte sie über die Bühne, schrie sich die Seele aus dem Leib und wusste das Publikum in ihren Bann zu ziehen, welches ausgelassen tanzte und jubelte. Dies sorgte wiederum dafür, dass Tommy Genesis nicht mehr aus dem Grinsen raus kam und den Spass ihres Lebens zu haben schien. Von Resting Bitch Face keine Spur.
Auf der Mainstage waren die Weichen danach wieder auf schnörkellosen Rock gestellt. Als zweite Hauptbühnen-Band des Abends durfte niemand geringeres als das Bluesrock-Duo Royal Blood ran. Und wer schon einmal in den Genuss eines Royal Blood Konzerts gekommen ist, weiss was die Jungs zu zweit für eine Energie auf die Bühne bringen. Royal Blood spielten sich durch ein hitlastiges Set. Und Hits haben sie einige geschrieben auf ihren zwei bisher veröffentlichten Alben. Zum Besten gegeben wurde aber auch neues Material. Logisch wenn man bedenkt, dass die Band gerade mitten in den Arbeiten an einem neuen Album steckt und diesen Prozess für eine kurze Festivaltour unterbrochen hat. Diese Teaser-Tracks gaben jedenfalls schon einmal ziemlichen Grund zur Vorfreude.
In eine ganz andere Kerbe schlug Jorja Smith auf der Tent Stage. Bei ihr war nicht Rock sondern Soul angesagt. Und wie! Nicht umsonst gilt Jorja Smith als Soul- und R’n’B Nachwuchshoffnung. So wusste sie mit ihrer wundervollen Stimme und gefühlvollen Songs auch am Zürich Openair zu überzeugen. Das Zelt war gut gefüllt und die Anwesenden liessen sich von der Musik komplett treiben. Schöne Sache.
Es ging aber noch schöner. Eigentlich auch logisch. Denn es war Zeit für die Chemical Brothers. Seit 30 Jahren stehen sie für erstklassige elektronische Musik. Zusammen mit The Prodigy oder Fatboy Slim gelten sie als Speerspitze des Big Beat und Hits wie Galvanize, Go! oder Block Rocking Beats sind aus dem kollektiven Gedächtnis von Musikfans durchs Band nicht mehr wegzudenken. Trotzdem war der Platz vor der Mainstage nicht unangenehm überlaufen. So hatte man schön Platz zum tanzen, was gut war, denn anders als Tanzen konnte man auch gar nicht. The Chemical Brothers am Zürich Openair 2019, das war purer Bombast. Die treibende, pumpende Mischung aus Techno, Hip Hop und viel Bass ging direkt in den Körper. Still stehen war keine Option mehr. Besonders bei den oben genannten Hits drehte das Publikum komplett durch. Überall sah man grinsende Gesichter und auch die beiden Herren auf der Bühne hatten wohl eine super Zeit und animierten die Crowd immer wieder dazu, noch etwas mehr zu geben und noch etwas ausgelassener zu tanzen.
Doch nicht nur die Musik des Duos und der hervorragend abgemischte Sound war es, welches diese Show unvergesslich machte. Denn The Chemical Brothers kommen immer auch mit einer überwältigenden Lightshow und aufwändig produzierten Visuals. So tanzten auf der Leinwand hinter den Musikern übergrosse Figuren in merkwürdig anmutenden Outfits oder Superhelden lieferten sich inbrünstige Kämpfe mit Robotern. Das ganze war bunt und skurril und wusste zu unterhalten. Und dann standen auch plötzlich zwei riesige Roboter auf der Bühne, welche Laserstrahlen aus ihren Augen schossen und aus den mechanischen Ohren qualmten. Ganz, ganz, ganz grosses Kino und ein Festival-Gig, den ich nicht so schnell wieder vergessen werde. Was für ein Auftakt.
DONNERSTAG
Am Zürich Openair ist zu Beginn eines Festivaltages oftmals Schweizer Qualitäts-Musik angesagt. Zürich Openair Tag Nummer 2 startete dieses Jahr mit den Zürcher Indie Rockern von Tim Freitag. Im Zelt hatten sich bereits einige Menschen angesammelt und so stand einem tollen Heimspiel und Festival Debut der Zürcher nichts im Wege. Getragen wurde der Gig von Sänger und Rampensau Janick, welcher einfach ein richtiger Rockstar ist. So war dann auch der Auftritt solide, die Band hatte Bock, das Publikum auch, die Songs klangen super … Auftakt geglückt.
Gleich im Anschluss folgten auf der Mainstage Two Feet mit ihrem Singer-Songwriter Electro. Two Feet Fans hatten es jedoch vermutlich etwas schwer, bei ihren Lieblingen in die vordersten paar Reihen zu kommen. Die waren nämlich schon seit Öffnung des Festivalgeländes besetzt durch eine Horde von meist Teenagern, welche schon alle sehnsüchtig auf ihr grosses Idol, der unangefochtenen Pop-Prinzessin Billie Eilish warteten. So konnten Two Feet zwar durchaus für Unterhaltung sorgen, das grössere Interesse war dann wohl eher bei der anschliessenden Mainstage-Sow.
Eigentlich sollte es um halb Acht losgehen mit Billie Eilish. Problem dabei war nur, dass wohl niemand mit einem solch riesigen Ansturm an Menschen gerechnet hatte. So standen die Besucher zu diesem Zeitpunkt noch bis zur Brücke an. Daher wurde die Show von Billie Eilish um 20 Minuten nach hinten verschoben. Um einer Massenpanik vorzubeugen und weitere Verzögerungen zu vermeiden, wurden die Festivalschleusen geöffnet, damit die Menschen schneller rein kamen. Und was sich dann zu Showbeginn für ein Bild ergab, war beeindruckend. Noch nie habe ich den Platz vor der Mainstage am Zürich Openair so voll erlebt. Und leider habe ich auch noch nie so viele Handys in der Luft gesehen. Doch um noch eine positive Superlative rein zu bringen: Die Lautstärke, in welcher das Publikum die Songs mitsang, war atemberaubend.
Dies gefiel auch der erst 17-jährigen Billie Eilish, welche über die Bühne turnte wie ein junges Reh. Dabei sass aber zu jeder Zeit jeder Ton. Wahnsinnig, was Billie Eilish für ein Gesangstalent an den Tag legte. Dazu ermutigte sie die grossteils jungen, weiblichen Fans dazu, sich selber zu sein und auf sich selbst Acht zu geben. Die jüngere Generation hätte definitiv ein schlechteres Vorbild erwischen können. Highlights des Billie Eilish Sets waren aber die beiden ruhigen Nummern „Ocean Eyes“ und „When The Party’s Over“, in welche Eilish so viel Gefühl reinsteckte, dass sogar mir fast Tränen der Rührung kamen. Ausgezeichnete Show. Kein Wunder wird der jungen Dame Grosses prophezeit.
Auf Pop folgte sogleich wieder Rock. Denn im Zelt war es jetzt Zeit für Foals. Und auf die hatten die Menschen offenbar richtig Bock. So platzte die Tent Stage vorne aus allen Nähten. Kein Wunder, denn wer nicht da war, verpasste was. Unglaublich tight holzten die Briten durch ihr Set. Dabei wurde man das Gefühl nicht los, dass diese Herren wohl auf der Bühne geboren sind. Spielfreude, Songwahl und musikalisches Talent bildeten bei Foals eine Symbiose der Coolness. Und mit My Number haben die Herren sowieso den eingängigsten Indie Rock Song ever geschrieben, welcher natärlich auch im Zürich Openair Set nicht fehlen durfte.
Superstar-Alarm Teil 2: Calvin Harris übernahm nun auf der Mainstage. Der EDM-DJ hatte das Publikum mit dem ersten Ton im Sack. Kein Wunder, denn wer in den letzten Jahren ab und zu mal Radio gehört oder einer grösseren Party teilgenommen hat, hatte den Grossteil der Songs eh schon im Kopf. Das war Partymusik, welche vor allem den Zweck verfolgte, dem Publikum eine gute Zeit zu geben. Musikalisch oder visuell war das jetzt aber keine Meisterleistung. Trotzdem erfüllte die Show seinen Zweck und so blickte man dann auch zum Ende vom zweiten Festivaltag in zufrieden lächelnde Gesichter.
Text: Ivo Arztmann
Bilder: Anna Wirz
MITTWOCH
DONNERSTAG