10. Mai 2018
Kaserne – Basel
Bands: U.S. Girls / Pamela Méndez
Erwartungen und Grenzen zu sprengen, die Leute aus ihrer Sicherheitszone zu locken – und gleichzeitig noch die Popmusik in Gebiete zu führen, die längst Vergessenes wieder rehabilitieren, ist keine leichte Aufgabe. Trotzdem war das Konzert von U.S. Girls am Donnerstag in Basel all das und noch viel mehr – wurde man schliesslich von Meghan Remy und ihrer fantastischen Band in eine neue Ebene des Daseins gezogen. Wer sich aber in letzter Zeit mit der Geschichte dieser Künstlerin beschäftigt hatte, den überraschte nicht alles – denn hier ist Musik und Kunst endlich dasselbe.
„In A Poem Unlimited“ heisst das neuste Album von U.S. Girls und führt den eingeschlagenen Weg der 2007 gegründeten Truppe auf exzellente Weise weiter. Kunstvoller Pop, angereichert mit vielen Experimenten und Einflüssen diverser Ären, durchzogen von sozialkritischen und feministischen Aussagen. Meg Remy kreiert hier nicht nur intelligente und ansprechende Musik, sondern hat sich auch vom Noise zum eleganten Klang gewandelt. In der Kaserne wurden all diese Schichten plastisch und schier greifbar, bis sich die Räume in sich krümmten.
Denn auch wenn zu Beginn des Konzertes die Grenze zwischen Bühne und Publikum klar gezogen war, mit jeder gespielten Note, mit jedem Takt und jeder leichten Geste vermengten sich diese Bereiche und bald wurde allen bewusst, dass sich ein Konzert von U.S. Girls darüber definiert, dass alles zu einem Gesamtwerk verarbeitet wird. Egal, ob die sechs Musiker bei Liedern wie „Pearly Gates“, „Rage Of Plastics“ oder „Navy & Cream“ von leisen Passagen zu lauten Ausbrüchen mit zwei Gitarren und Saxophon wechselten, Meg und ihre Backgroundsängerin zu Dialogen mit Stimme und Körper ansetzten oder sich einzelne Übergänge zwischen den Liedern zu klaren Aussagen entwickelten – jede Sekunde wirkte perfekt durchgeplant und ausgeführt.
Nie haftete dem Auftritt dabei ein elitärer Glanz an, nie lief die Band Gefahr, mit dieser Art von Darbietung die Musik zu verfälschen oder zu stark zu überlagern. Viel eher war es so, dass man mit jeder Minute mehr über die Welt und vielleicht auch sich selbst lernte, bis am Ende bei „Time“ alle Wände gesprengt wurden und man in kakophonischen Klanggebilden zwischen Roxy Music und Talk Talk versank, immer mit humoristischem Zwinkern und grosser Enthemmung. „Don’t Be Shy“, sagt uns Meg direkt ins Gesicht und beweist, dass man weder vor Kunst, politischen Aussagen, Feminismus, glitzerndem Pop oder skizzierter Sexualität Angst haben muss. Ein Auftritt der Weltklasse!
Kein Wunder also, war die Berner Musikerin Pamela Méndez, welche hier die Ehre hatte, das Vorprogramm zu gestalten, leicht nervös. Selber Fan von U.S. Girls, nutzte sie diesen Abend, um alleine mit Backtracks und elektrischer Gitarre Stücke von ihrem neuen Album „Time“ vorzustellen. Ergänzt um geschmacksvolle Projektionen im Hintergrund und mit der charmanten und entwaffnenden Art liess man sich von ihrem Singer-Songwriter-Pop verzaubern und erfuhr bereits zu Beginn dieses Abends, dass eine Frau in der Musik den Unterschied machen kann und macht. Poetisch, unlimitiert, fliessend.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
1. Velvet 4 Sale
2. Rage Of Plastics
3. M.A.H.
4. Rosebud
5. L‐Over
6. The Island Song
7. 28 Days
8. Navy & Cream
9. Window Shades
10. Sororal Feelings
11. I’ll Never Learn
12. Pearly Gates
13. Time
Text: Michael Bohli