30. September 2017
Diverse Orte – Zürich
Bands: Farvel / The True Harry Nulz / Colin Vallon Trio / Øyunn / KALI / Lucia Cadotsch
Zusammenbringen, austauschen, leihen und ergänzen – das Match & Fuse Festival steht für neue Entwicklungen in der Musik und das Verbinden von diversen Künstlern zu neuen Formationen. Und wenn sich am Freitagabend in Zürich die Damen und Herren vor allem dafür einsetzten, den Jazz auf moderne Weise mit elektronischen Stilarten zu verbinden, dann stand der Samstag ganz im Zeichen von Gruppierungsexperimenten und Bühnenbesuchen. So lauschten die Besucher im Moods und Exil zwar eher klassischen Darbietungen des Jazz, waren aber Zeugen einiger Premieren.
Bereits die erste Band schickte neuste Songs durch den Raum des Exil und verzauberte die Anwesenden mit ihrem organisch verwunschenen Liedergut. Farvel aus Schweden kombinierten Piano, schier animalische Gesänge und verspieltes Drumming mit der ersten Performance von Tenor-Saxophonist Otis Sandsjö – noch diverse weitere folgten an diesem Abend. Jetzt hiess es aber abtauchen in eine Waldwelt voller leise erzählten Geschichten und lauten Ausbrüchen.
Da fiel der Wechsel zu The True Harry Nulz etwas schwer, vermischten sich im Moods nämlich nicht nur zwei Bands aus Österreich (Edi Nulz) und der Schweiz (The Great Harry Hillman), sondern auch komponierte Stücke mit langen Inspirationen und Improvisationen. Als ob man die Bühne in der Mitte gespiegelt hätte, gaben sich zwei Schlagzeuger, zwei Gitarristen und zwei Bassklarinetten Zeichen und Akzente. Beim Colin Vallon Trio lief es wieder einiges geregelter, auch wenn die elektrische Besetzung mit Rhodes und Julian Sartorius am Schlagzeug in dieser Form eine Premiere war. Mit der Unterstützung eines gewissen Herrn Sandsjö lieferten die Mannen ein beeindruckendes Set.
Was hier an Wucht und Geschwindigkeit zu Höchstleistungen führte, war bei der folgenden Darbietung der norwegischen Künstlerin Øyunn dann vor allem die Abkehr ebendieser Eigenschaften. Die blonde Dame streichelte ihr Schlagzeug und sang sanfte Melodien, Bass und Piano untermalten ihre angenehmen Lieder, die auch gerne etwas im Pop landeten. Diese Stücke waren klar das Licht zu dem lauernden Schatten, der sich unter der Leitung von KALI im Exil ausbreitete. Das Schweizer Trio bewegte sich mit seinen unvorhersehbaren Werken zwischen den jazzigen Phasen von Robert Fripp und der Bosheit von The Shining. Kammerleichte Spielereien wechselten sich mit extremen Verzerrungen der Gitarre ab und endeten in wahrem Donnergrollen. Diese Formation muss man sich merken, ihr erstes Album erscheint in wenigen Monaten.
Vom Match & Fuse Ensemble wird man hingegen wohl nicht so schnell etwas käuflich erwerben können, gaben sich hier doch fünf Musiker aus diversen Ländern zu neuen Versuchen hin und liessen Musik, welche zuvor in Irland erdacht wurde, auf den Schweizer Boden treffen. Womit die Bühne für eine weitere Rückkehr frei gemacht wurde: Sängerin Lucia Cadotsch verliess für einmal ihre Wahlheimat Berlin und trat mit ihrem neuen Speak Low Trio auf. Otis Sandsjö und Petter Eldh wehrten sich gegen streikende Instrumente und zu klare Songstrukturen, Lucia wandelte durch Chansons und Erzählungen.
Und während sich diese Lieder im Scheinwerferlicht sonnten, wurde die Bühne von immer mehr Musikern bevölkert und man wurde Zeuge von einem erneuten Umdenken der bekannten Lieder mit der Band Speak Low Renditions. Eine perfekte Verkörperung des Festival-Geistes und der bisher erlebten Konzerte – und ein weiteres Ausrufezeichen für Match & Fuse. Denn die erste Schweizer Ausgabe war nicht nur vorzüglich organisiert, sondern ein wahrer Fundus an neuen Klangquellen, Talenten und Visionen. Die Welt des Jazz atmet auf viele Weisen, die wohl besten durfte man an diesen Tagen erleben.
Text: Cornelia Hüsser & Michael Bohli
Bilder: Kathrin Hirzel