5. Februar 2017
Diverse Lokale – Baden
Bands: Elio Ricca / The Fire Harvest / Die Heiterkeit / Blondage
Jedes Jahr im wettertechnisch wechselhaften Februar öffnen sich die Türen zu vielen Kulturlokalen und Bars in Baden, um gemeinsam die Musik zu zelebrieren. Seit 2011 steht das One Of A Million Festival für Einblicke in die Indie-Szene und deren Bands, die man so vielleicht noch nicht kennt oder wahrgenommen hat. Natürlich tummeln sich an diesen Tagen vor allem Hipster in der aargauischen Stadt, aber auch Geniesser der etwas anderen Musikarten kommen auf ihre Kosten. Am schönsten eignen sich für einen Besuch natürlich die Tage an den Wochenenden, gibt es hier schliesslich den gesamten Nachmittag hindurch gratis Auftritte, bevor man sich am Abend dann in die Clubs und zu den grösseren Namen begibt.
Erste Anlaufstelle am Sonntag war das Prima Vista, hier zeigte sich das Duo Elio Ricca aus St.Gallen mit seinem rohen Rock. Etwas skurril, diese zwei Herren vor Kaffeetrinkern an Tischchen laut werden zu hören, doch davon liessen sich die Musiker nicht ablenken. Nicht nur ihr Look schien direkt aus den Neunzigern gefallen zu sein, auch ihre Musik war wunderbar ungekämmt und voller Schienbeintreter. Fugazi hätten dieser Mischung aus dissonanten Liebeswehen und dreckigem Alternative Rock zugejubelt, auch das Publikum in Baden war angetan. Und wieder einmal reichten ein Schlagzeug und eine mit vielen Effekten belegte Gitarre aus, um wunderbare Songs zu erschaffen.
The Fire Harvest besuchten die Stanzerei zu viert, wagten aber trotzdem eine sehr ruhige Herangehensweise an die Musik. Was bei bekannteren Formationen wie Low unter dem Banner des Slowcore verkauft wird, war auch hier eine extreme Wucht aus einzelnen Tönen. Starker Ausdruck von grossartigen Musikern, da müssen auch keine Tonleitern dazu abgegrast werden. Die Lieder waren oft auf einzelne Melodien und Instrumente beschränkt, nur um dann plötzlich mit voller Lautstärke auszubrechen. Nicht selten dachte ich wegen dem Sänger an die mysteriösen Momente von Sivert Hoyem – hier war aber Holland am Werk.
Hamburg versuchte den Anschluss dann auf völlig andere und eigene Weise zu finden – Die Heiterkeit schüttelte die schräge Pop-Musik aus der Mottenkiste und brachte endlich Musikerinnen auf die Bühne. Im Untergeschoss der Druckerei wurde man nun von einem Konzept empfangen, das sich mir nicht immer ganz erschloss. Diese völlige Abkehr der modernen Musik und die wunderbar geisterhaften Texte erinnerte mich an eine Jahrzehnte alte Variante von Tocotronic – knapp neben dem Cabaret. Immer mal was Neues, oder?
Bekannt und von mir geliebt war der Abschluss mit Blondage im Royal. Das Duo aus Kopenhagen hat sich seit der Verwandlung etwas vom düsteren Rangleklods-Techno entfernt und umgarnt nun den elektronischen Synthie-Pop. Weiterhin gibt es aber die unvorhersehbaren Takte, lauten Keyboardklänge und viele Effekte aus dem Chaos-Pad. Live liessen Esben und Pernille brandneue Songs auf alte Kracher treffen, „Lucky Black Skirt“ verzahnte sich in „Clouds“. Der dröhnende Bass liess alle Knie zittern und der Sonntag endete in einem Rausch. Was für ein perfekter Auftritt, was für sympathische Menschen – und darum wunderbar zum OOAM passend.
Text: Michael Bohli