27. August 2016
Zürich Openair – Rümlang
Bands: Coasts / Oscar And The Wolf / Bilderbuch / The Strumbellas / Kaiser Chiefs / Underworld / Silver Firs / Wolfman / Theme Park
Der letzte Tag, zu viel Sonne und am Ende unzufrieden. Die beiden ARTNOIR Redakteure Nik Petronijevic und Michael Bohli waren getrennt unterwegs und beschreiben ihre Eindrücke, die ähnlich sind und manchmal doch komplett unterschiedlich.
M.B: Der Samstag begann für uns am Nachmittag mit einem Ausblick auf ein schier leeres Festival-Gelände. Trotz allen Voraussetzungen wie Wochenende, bestes Wetter und Stadtnähe traten wenige Leute die Reise nach Rümlang an. Coasts aus Bristol lieferten ihren sehr zuckrigen Pop-Rock somit zuerst vor fast leerer Wiese ab. Die Band liess sich davon nicht gross aus der Ruhe bringen, ihre Musik mich hingegen auch nicht. Zu lieblich, zu bekannt im Indie-Land. Auch Oscar And The Wolf hörten wir uns aus der Distanz an und erkundeten noch einmal das Areal. Was sagt es eigentlich über eine Veranstaltung aus, wenn sie die meiste Liebe in den Markt- und Konsumbereich steckt, hingegen Dinge wie Ernährung und Stimmungsförderer vernachlässigt?
Somit musste man sich nicht wundern, dass die Zuschauer bei Bilderbuch weniger mitsangen, tanzten und jubelten, als es die Österreicher gewohnt sind. Trotzdem, ihre schräge Mischung aus Rock, elektronischen Reminiszenzen der schlimmen Zeiten und etwas durchgeknallten Texten machte sehr viel Spass. Aus Wien kommen schliesslich nicht nur Wanda, und hier regierte für einmal der verbrecherische Gigolo. Diesen kleinen Aufstand benötigten The Strumbellas nicht; ihr lieblicher Folk-Pop spazierte durch das Land der Glücksbärchis und sorgte für keinerlei Überraschungen. Das war schon bei Mumford & Sons langweilig – doch leider immer noch besser als die Katastrophe, die darauf folgte.
Die Kaiser Chiefs, damals in meiner Indie-Phase eine meiner liebsten Bands, sorgten nicht nur für Ohrenbluten, sondern auch für schlechte Laune. Die Gruppe zerstörte ihre eigenen Hits und versuchte ihre neue Musik als gut zu verkaufen. Diesen Kirmeskrawall können sie aber gerne behalten, wie auch die schlechten Covers. Was für ein Debakel. Wobei immerhin der Abschluss des Tages mit den ohrenbetäubenden Bässen von Dillon und der Techno-Herrschaft von Underworld zufrieden stellte. Die zwei Herren aus England liessen die Leute aus der Starre erwachen und lieferten mit Liedern wie „I Exhale“, „King Of Snake“, „Rez“, „Two Months Off“ und natürlich „Born Slippy“ eine wahnsinnig gute Show ab. Wie betäubt verliess ich den Ort und war nicht unglücklich, dass diese oft zähe Veranstaltung nun ihr Ende fand.
N.P: Ich war auch schon am Nachmittag unterwegs und war sehr erschrocken, als ich um 14:00 Uhr nur rund 100 Leute gesehen habe. Das Areal wirkte wie eine Stadt, die gerade erst ausgestorben ist. Ich wollte mich am letzten Tag eher den kleineren Bands widmen. Silver Firs begannen am frühen Nachmittag mit ihrem 90s angehauchten Dreampop, der sehr gut zur Uhrzeit und zum Wetter passte. Ich war ausgelaugt von den vorhergehenden Tagen, deshalb setzte ich mich ins Gras und lies mich von der melancholischen Musik treiben. Die Schweizer Band war mir bis dahin noch unbekannt.
Mit noch weniger Zuschauern ging es mit Theme Park weiter. Gut fünf Leute waren ganz vorne, der Rest versteckte sich an den wenigen Schattenplätzen auf dem Gelände. Wäre es nicht so warm gewesen, wäre ich die sechste Person gewesen, die vorne mitgetanzt hätte. Die hohe Stimmlage des Sängers erinnerte an Justin Timberlake. Die Band tat mir extrem leid und beendete ihren Auftritt 20 Minuten früher als angekündigt. Ob es an der Sonne lag oder den wenigen Zuschauern, weiss ich nicht. Es wurde auch nichts dazu gesagt – plötzlich waren sie weg.
Bei Wolfman füllte sich das Zelt ganz langsam. Zirka fünfhundert Personen gammelten herum, was immer noch extrem wenig ist für ein Festival. Die Band spielte solide und ihre Musik passte gut zum Openair. Sehr sympathisch und dankbar zeigte sich die Band nach aussen.
Fazit M.B: Im Vornhinein jubelte ich über die Liste mit all den Bands; jeder Tag schien nur aus Highlights zu bestehen. Doch dann war man vor Ort, versuchte sich in Stimmung zu bringen und merkte: hier klappt gar nichts. Weder die Organisation, noch die Stimmung, noch die Musik. Man kämpfte sich zwischen gelangweilten Menschen über den Rasen, fand keine Sitzplätze und bezahlte einen Reichtum für Ernährung. Und wenn dann endlich eine dieser gross angekündigten Bands die Bühne betrat, dann blieb die Menge stoisch und brach höchstens bei den Hits aus.
Fazit N.P: Daumen hoch für eure WC-Station, die blieb immer sehr sauber und man musste kaum anstehen. Jede grössere Band hatte eine schöne Bühneninstallation, was bei gewissen anderen Festivals selten zu sehen ist. Auch der Basssound war verdammt stark. Doch es gibt aus meiner Sicht nur wenige weitere positive Dinge zu sagen. Es kam selten wirklich Stimmung auf. Zelten wollten nur sehr wenige; warum auch, das Festival lag ja schon fast in der Stadt. Vieles war schlecht organisiert; auch Anzeigetafeln, wann und wo Busse fahren, suchte man vergeblich. Es gab keine Shuttlebusse auf die naheliegenden Bahnhöfe. Für viele endete das Festival am Mittwoch und Donnerstag schon um 23:30 Uhr, da sie sonst zu Fuss über 20 Minuten zum Flughafen hätten laufen müssen oder sogar an den Zürcher Hauptbahnhof. Ein Tram mehr hätte echt nicht viel Mühe gekostet. Die coolen Kids blieben am Nachmittag zu Hause und schliefen ihren Rausch aus, damit sie frisch gestylt wieder am Abend kommen konnten. Weshalb spielen Bands am Nachmittag, wenn eh keine Sau da ist? Natürlich ist es cool, dass das Festival Schweizer Bands unterstützt, doch vielleicht wäre es sinnvoller, das Geld zu sparen und in die Planung und Infrastruktur zu investieren.
Am Ende fragte ich mich: liebes ZOA, was möchtest du eigentlich sein? Jedes Jahr änderst du die Infrastruktur. Willst du ein Openair, ein Stadtfest oder einfach nur Ort sein, an dem gute Bands spielen? Das Booking entwickelt sich immer mehr Richtung Elektro – willst du mit der Zeit gehen oder etwas Eigenes erschaffen? Ich werde aus dir noch nicht schlau, obwohl ich jedes Jahr bei dir bin.
Text: Nik Petronijevic / Michael Bohli
Bilder: Anna Wirz