Palace – St.Gallen
Freitag, 26. Januar 2024
Text: Michael Messerli / Bilder: Christian Wölbitsch
Fhunyue Gao startete den Abend mit einem Gedicht aus Palästina. Was danach folgte, ist vermutlich Performance-Kunst. Aber so richtig sicher war man sich nicht, weil die Nintendo-Sounds, die Sprachpassagen und das Theremin irgendwie zusammenhangslos wirkten. Als würde man vor einem bemüht abstrakten Bild stehen und nicht wissen, ob man es einfach nicht sieht oder nicht fühlt. Das alles in einem Lichtkegel, in dem sich Fhunyue Gao bewegte, als würde sie nächstens hinaufgebeamt. Ein bei aller Offenheit eigentlich unmögliches Vorprogramm, das so roboterhaft zufällig schien, wie es eine KI wahrscheinlich auch könnte.
Umso mehr freute man sich dann, als es wirklich losging mit der Musik von The Notwist: Die Indietronic-Pioniere aus Weilheim, die nicht nur in gewissen Abständen tolle Alben veröffentlichen, sondern einen ihnen vorauseilenden Ruf als sehr gute Liveband geniessen. Natürlich folgten auch sie keinem explizit roten Faden, aber anstatt futuristische Sequenzen aneinanderzureihen, floss hier alles von einem ins andere und die Anknüpfungspunkte wurden optimal eingestreut – mit Songs wie «Kong» oder «One With the Freaks».
Ganz so umwerfend wie ihr 2019er-Auftritt an gleicher Stelle war es dann zwar nicht. Ausgerechnet bei «Consequence» schwächelte beispielsweise kurzzeitig der Sound. Gleichzeitig wäre es aber Jammern auf hohem Niveau oder ist es vielleicht auch Stagnation auf ebendiesem, weil die Soundtüfteleien mehrheitlich funktionierten, oft tatsächlich glasklar daherkamen und man zum wiederholten Male feststellen durfte, wie viel Energie live auch dank Schlagzeuger Andreas Haberl freigesetzt wird. Er hielt das Set im Innern zusammen, er trieb es an und er entschleunigte – immer im Dienst des Songs.
Das ausverkaufte Palace liess sich sofort davon abholen, mitnehmen und am Schluss auch wieder entlassen. Trotz einigem mittlerweile leider fast schon standardmässigem Gelaber im Publikum. Wer die wärmende Sounddecke aber über sich legen liess, blieb still und spürte die Freude am Ausprobieren sowie an den Improvisationen und Interpretationen von nicht immer klar abgesteckten Songs. The Notwist bleiben eine ungewöhnliche Indie-Band, die nie aus der Zeit fällt.