Kiff – Aarau
Freitag, 27. Oktober 2023
Text: David Spring
Dieser Konzertbericht wird für einmal etwas persönlicher. Da mir mehrfach unterstellt wurde, dass ich in meiner Berichterstattung ohnehin voreingenommen sei, wenn mein eigener Bruder auf der Bühne steht, lehnen wir uns diesmal gleich von Beginn an voll rein. Doch wenn man ehrlich ist, sind Les Touristes einfach eine bombastische Live-Band, egal wie viele der Bandmitglieder man allenfalls persönlich kennt. Dies nämlich stellten die sympathischen Jungs letzten Freitag in einem beinahe ausverkauften Kiff einmal mehr beeindruckend unter Beweis.
Der Auftakt war allerdings noch etwas ruhiger. Die talentierte Sängerin Naeva aus Lenzburg stand ganz alleine, nur mit ihrem Keyboard und ein paar Samplern bewaffnet auf der grossen Bühne und besang den schon gut gefüllten Saal. Man merkte schnell, dass das Publikum an einem Pop-Konzert anders drauf ist als zum Beispiel bei einer Rockshow und so schenkten leider viele der Anwesenden ihre Aufmerksamkeit ihren Freunden und Getränken und nicht der Sängerin auf der Bühne. Dies war äusserst schade, und ehrlich gesagt auch ziemlich respektlos, denn Naeva bot trotz der eher ruhigen und erzählerischen Art ihrer Musik sehr viel.
Musikalisch erweckte sie bei mir Erinnerungen an die etwas gefühlvolleren Momente einer Christina Aguilera. Die eingängigen, intimen Melodien vermischten sich mit der beachtlichen Stimme zu schönen Popsongs und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die Stücke von Naeva mit einer richtigen Band im Rücken noch einiges kraftvoller wirken könnten. So fehlte vielleicht etwas der Drive, um das Publikum für den energiegeladenen Hauptact wirklich richtig aufzuheizen, doch auch so hinterliess Naeva bei mir einen durchwegs guten Eindruck und ich hoffe, dass man in Zukunft noch mehr von der sympathischen Künstlerin hören wird.
Ja und dann war es endlich soweit. Les Touristes haben sich auf der Tour zu ihrem ersten Album «A La Carte» einiges einfallen lassen. Eröffnet wurde die Show mit dem Hit «Tanzi halt elei», zu dem die Fünf während dem ausgedehnten Intro hinter einem extra angefertigten Vorhang Schattentanz betrieben, bevor es dann richtig losging. Sobald der Vorhang fiel, gab es kein Halten mehr und das Kiff drehte kollektiv durch. Unglaublich, was die Band für eine Stimmung schafft. Beim folgenden «Haus verkauft» wurden wir bereits mit dem ersten Saxophon-Solo verwöhnt, einem der Markenzeichen von Les Touristes. Dafür wurde auch das Podest vor der Bühne genutzt, auf dem sich Simon, der bärtige Meister der gepusteten Töne, zur Schau stellte. Beim etwas ruhigeren «Alles» stellten die Jungs dann ein weiteres, fast noch beeindruckenderes Markenzeichen unter Beweis, als sie die hervorragende Ballade mit fünfstimmigem (!) Gesang untermalten. Das soll ihnen mal jemand nachmachen.
Hauptaugenmerk bei Les Touristes ist natürlich Sänger Tim, der das Publikum unverschämt gut im Griff hatte. Nicht nur sangen wirklich sehr viele Leute jedes Wort seiner Texte lauthals mit, seine unbändige Energie war sofort ansteckend. Egal ob er auf dem Bartresen herumturnt oder sich einer charmanten, ausschweifenden Ansage hingibt, der gute Herr ist der geborene Frontmann. Die Show war darauf ausgelegt, dass alle Bandmitglieder mal im Fokus standen, während Keyboarder Benj immer ganz vorne mitsang und abging, thronte Drummer Matthias mit seiner imposanten, durchtrainierten Statur über allen. Und Bassist Läli (hallo Bruderherz!) überschattete vom Publikum bis zu seinen Bandkumpanen alle mit seiner unablässigen Energie, wenn er wie von der Tarantel gestochen auf der Bühne herumhüpfte. Wie mehrfach schon erwähnt: Les Touristes sind eine herausragende Live-Band.
Das Publikum goutierte diese Energie natürlich und drehte mit jedem Song mehr durch. Eine kleine Verschnaufpause gab es erst, als sich die gesamte Band durch das Publikum hindurch auf die andere Seite des Saales begab, um auf einer winzigen Sidestage den Album-Opener «Immer gliebt» komplett a capella zu singen. Ein absoluter Gänsehautmoment und es darf nochmals erwähnt werden, was für tolle Sänger alle in dieser Band sind. Es folgte dann das wunderschöne «Täg ohni di», zu welchem wir uns alle hinsetzen durften. So schufen Les Touristes mitten in einem energiegeladenen Pop-Konzert eine unvergleichlich intime Atmosphäre, die einfach nur schön war und eindrücklich untermalte, was für eine kreative, abwechslungsreiche Band sie sind.
Alle guten Dinge müssen irgendwann zu Ende kommen und bei Les Touristes heisst das natürlich «Anarchie». Dieser grossartige Song mit dem irrwitzigen Text forderte uns nochmal alles ab und es war eine Freude, das komplette Kiff von hinten bis vorne so vollständig eskalieren zu sehen. Als Zugabe folgte noch eine anarchistische Reprise und schlussendlich das wundervolle «Du & Ich», dass uns alle gemächlich wieder in die Realität zurückbrachte. Damit war ihr grösstes und meiner Meinung nach bestes Konzert bisher Geschichte. Es darf nun selber entschieden werden, ob dieser Konzertbericht zu voreingenommen oder nicht objektiv genug war. Zwei Dinge jedoch sind klar: Les Touristes sind das Beste, was unsere heimische Pop-Landschaft derzeit zu bieten hat, und dieser schreibende Punk- und Metal-Liebhaber ist ein Riesenfan! So stehts geschrieben.
Setlist [Quelle: setlist.fm]
- Tanzi halt elei
- Haus verkauft
- Meitli
- Alles
- Immer no
- Genie
- Feldbergstross
- Frau Nera
- Immer gliebt
- Täg ohni Di
- Chame mache
- Forever Young
- Pasta
- Anarchie
Zugabe
- Anarchie Reprise
- Du & Ich