UMD, Vertigo Berlin / VÖ: 27. August 2021 / Pop
chvrch.es
Text: Michael Bohli
Die Unschuld der Bildschirme ging vor einiger Zeit verloren. Vorbei sind die Tage, in denen wir uns ohne böse Gedanken vor den flackernden Fersenseher setzen, heute regieren LED, LCD und Retina unseren Alltag – mit sehr tiefen Abgründen. Passenderweise sind die Inhalte von „Screen Violence“ gleichermassen abgekämpft und mit Verletzungen versehen, Chvrches klingen bloss nach bunt-fröhlichen Stunden. Diese Popmusik kennt die Missstände und Schreckensmomente des Lebens, da erscheinen die besungenen Geschichten fast zu real.
Erquickend-melancholisch beginnen Chvrches ihr neustes Album mit „Asking For A Friend“, eine Hymne voller euphorischer Momente. Fast meint man, die Gruppe um Sängerin Lauren Mayberry möchte die schlimmen Bilder von 2020 aus unserem Gedächtnis streichen, die Platte dient aber dazu, uns allen wieder neuen Mut zu machen. „Final Girl“ als bestes Beispiel, aufgezogen mit Horror-Video-Flair, direkt und impulsiv – eine Einladung, die Bilder zu hinterfragen und die Positionen zu verändern. Synthesizer, Gitarren und wunderbare Gesangsmelodien sind die Werkzeuge, bereitgestellt vom fähigen Trio.
Seit zehn Jahren musizieren Chvrches zusammen und kumulieren ihre Fähigkeiten in zugänglichen und mitreissenden Popsongs, die elektronisch und gefühlvoll sind. Da überborden teilweise die Harmonien, der Kitsch dringt ein, die Drumpatterns beherrschen den Moment. Aber wer möchte sich schon Liedern wie „He Said She Said“, „Good Girls“ oder „How Not To Drown“ mit Gast Robert Smith erwehren – „Screen Violence“ ist ein vorzügliches Popwerk mit ungeahnter Tiefe und grosser Hitdichte.