Groenland Records / VÖ: 8. Oktober 2021 / Post-Pop-Punk, Alternative Rock
wearescientists.com
Text: David Kilchör
Tick, tick, tick, tick. «Huffy» beginnt mit vier Einzählschlägen des Drummers. Und dann Rock’n’Roll. We Are Scientists greifen auf ein ganz einfaches und nicht eben taufrisches Konzept zurück. Aber ein wunderbar Ehrliches.
Als das New Yorker Duo Keith Murray (Gitarre, Gesang) und Chris Cain (Bass) – seit 2013 im Studio und live durch Drummer Keith Carne verstärkt – um den Milleniumwechsel auf die Weltbühnen trat, war das Modesound: Begradigter Alternative Rock mit abgerundeten Post-Pop-Punk-Noten und einer pubertären College-Note. OK Go oder Plain White T’s machten das noch einen Schuss erfolgreicher als die beiden New Yorker. Aber auf Dauer dann auch ein bisschen weniger konsequent.
Gerade weil sich die anderen beiden Vorzeige-Post-Punk-Alternative-Bastler mit ihrer Brachialmasche alsbald in unterschiedliche Himmelsrichtungen entwickelten (OK Go eher zu New-Wave- und Elektro-Sachen hin und die Plain White T’s akustisch-folkig), nahm man den Bands im selben Fahrwasser nicht so recht ab, dass sie diesen neuen Sound wirklich verkörperten. Reine Modeerscheinung, war man zu vermuten geneigt.
Und da ist jetzt «Huffy» und straft uns alle Lügen. Über 20 Jahre und sieben Alben sind ins Land gezogen; man kann nicht mehr von Trend-Trittbrettfahrern sprechen. We Are Scientists sind vielleicht die letzten oder zumindest die bekanntesten Überlebenden aus dieser kurzen, krachenden Rock-Ära – und die gut 30 Minuten neuer Musik der beste Beweis dafür.
Da ist etwa «I Cut My Own Hair», das mit Vinyl-Knistern und einem Slide übers Gitarrengriffbrett beginnt, eine schräge Dissonanz anschlägt und dann mit Offbeat-Bassgroove durch inhaltlich pubertäre Geistesignoranz führt. Das ist belanglos, banal, aber lustig. «You know what, I don’t care. So I cut my own hair».
Auf «Pandemonium» bolzen die Scientists fast schon nach dem Vorbild von My Chemical Romance – durchaus als Reverenz an ihre zeitliche Herkunft zu verstehen – dramatische Emo-Riffs und mehrstimmige Refrains. «Sentimental Education» lässt sich derweil als geographische Anspielung an Kid Creole and The Coconuts vom Big Apple lesen – mit Congas und lustigen Synthlinien imitieren sie Karibik-Sound, lassen aber nach wenigen Sekunden bereits die verzerrten E-Gitarren dominieren.
Gegen Schluss kriegen die eingangs genannten Bands ihr Fett weg – eine durchaus logische Konklusion von «Huffy», wenngleich auch ein Stilbruch. «I Bought Myself A Grave» ist die songgewordene Bösartigkeit: Es beginnt als Folk-Nummer. Die Zeilen «I’m gonna lie down next to dad and take comfort he was spared my time with you» spuckt Keith Murray direkt ins Gesicht der Plain White T’s. Dann zerfliesst der Song, verkommt zu seltsamem Soundgetüftel mit Synthpads und überdrehtem Auto-Tune. Kaum verständlich, aber eindeutig vorwurfsvoll – an die Adresse von OK Go – würgt Murray die Zeilen «You took everything when you left, cleaned out every wooden nickel, every cent» heraus. Und man ist unentschlossen, ob das der Höhe- oder Tiefpunkt des Albums ist. Aber das Unvermeidliche zu werten ist ohnehin müssig.
Denn in erster Linie ist «Huffy» ein Spass-Album. We Are Scientists machen, was sie wollen und am besten können. Und das ist keineswegs billig angerichtet. In den Songs steckt zwar nicht sonderlich viel Gehalt, aber erstaunlich viel Abwechslung. Und mehrheitlich gute Laune.