Band: Vök
Album: Figure
Genre: Elektro / Pop
Label/Vertrieb: Nettwerk / Warner ADA
VÖ: 28. April 2017
Webseite: vok.is
Ihr Debütalbum „Figure“ zu nennen, ist wagemutig. Die Bedeutung dieses englischen Wortes findet sich schliesslich in verschiedenen Kontexten. Es kann eine düstere Gestalt sein, in der von Angst geschwängerten Dunkelheit. Es kann eine Zahl nennen oder den Versuch, etwas herauszufinden und schliesslich die Definition irgendeiner Form. „Figure“ des isländischen Quartetts Vök scheint also nichts Genaues zu sein und wir wissen: Sich undefiniert in der brutalen Musikwelt einen Platz zu verschaffen, ist mehr als schwierig.
Beim Genuss von „Figure“ stellt sich jedoch heraus: Diese Musik ist einfach an vielen Orten zuhause – aber nirgends ganz richtig. Der atmosphärische Elektropop bildet über die ganze Bandbreite die verzerrte Basis mit endlosen Sequenzerläufen und träumenden Hooks. Die schon fast geflüsterten Melodien von Sängerin Margrét Rán verschmelzen die Elektronik mit der Menschlichkeit und schaffen so einen Hybriden, der sich galant durchschlängelt – vom sich im Lounge windenden „BTO“ über die trotzig elektrisierende Ballade „Polar“, die mit nur gehauchten Tönen verzweifelnd schön klingt, bis hin zu „Floating“, das, wie der Name schon sagt, dumpf und schwerfällig das Gemüt mit klanglichem Höchstgenuss überschwemmt.
So haben Vök ihre kleine Nische ganz undefiniert gefunden. Einen musikalischen Ort, in den sie zwischen all die synthiegewaltigen Rahmen süsse Kleinigkeiten verpacken, die sich vom Minimalismus à la The XX über dezenten R’n’B ausbreiten und den Ausblick vergrössern, indem selbst ein Hauch von James Blake sich im Album einzuschleichen vermag. Wenn man weiss, dass dieses Werk in Unmengen von langen, kaffeelastigen Sequenzen im Studio von Margrét Rán – mit einem atemberaubenden Blick über die isländische Hauptstadt Reykjavik – entstanden ist, so versteht man, warum in jedem Song ein ganzes Panoramabild gezeichnet wird. Da verstecken sich lauwarme, dahinsiechende Tage unter der endlosen Mittsommer-Sonne wie bei „Don’t Let Me Go“ bis hin zum wunderbaren „Hiding“ ganz am Schluss, dem, so schätze ich, ein Ausblick über das winterliche Reykjavik im stillen, schwerfälligen Schneetreiben als Vorlage für diesen klanglichen Akt dienen musste.
„Figure“, ein Debüt ohne definierte Kanten. Vielmehr schleichen sich zahllose Facetten konturlos zwischen Schwermut und Leichtigkeit ineinander und hinterlassen eine Form, die, ohne erkennbare Ränder, jeder anders zu interpretieren vermag und die sich ständig wandelt, so dass der Genuss nicht stagnieren kann. In diesem Sinne passt der Albumtitel und ich bin froh, hat dieser Export der Künstlerinsel im verlorenen Atlantik den Weg über die stürmische See an mein Ohr gefunden.
Tracklist:
1. Breaking Bones
2. BTO
3. Figure
4. Polar
5. Floating
6. Don’t Let Me Go
7. Show Me
8. Crime
9. Lightning Storm
10. Hiding
Bandmitglieder:
Margrét Rán – Gesang, Gitarre und Keyboard
Andri Már – Saxophon und Apc
Ólafur Alexander – Gitarre und Basse
Einar Stef – Perkussion
Gründung:
2013
Text: Sebastian Leiggener