Band: ViVii
Album: Titel
Genre: Dreampop / Indie Pop
Label: Dumont Dumont
VÖ: 21. Mai 2021
Webseite: Facebook
Musik ist ein grosses Experimentierfeld. Was passiert, wenn man ein Album in einem Schlosskerker aufnimmt – wie Black Sabbath einst? Oder am Tatort eines Massenmordes wie Nine Inch Nails? Vielleicht auch hackedicht wie etwa Neil Young, Joy Division, Jeff Buckley? Aus dunklen Ecken entspringt zuweilen grosse Inspiration.
Man könnte glauben, das schwedische Trio ViVii habe dieses Konzept in die stressgeplagte Kommerzgesellschaft übertragen. Es hat sein neues Album „Mondays“ ausschliesslich an Montagen aufgenommen. Dies hat allerdings nicht in erster Linie mit der Suche nach emotionalen Abgründen zu tun. Vielmehr liegt der Wahl des Künstlersonntags als Aufnahmekonzept einfache Pragmatik zugrunde: Die Drei arbeiten von Dienstag bis Freitag als Banker, Bestatter respektive Wirtschaftsberaterin. Ihr freier Tag ist der Montag.
Statt Alltagsgraus bedeutet Montag für das Trio also eine willkommene Pause. Und so klingt „Mondays“ auch. Entspannt, zufrieden, lieblich.
Für diese Stimmung gibt’s nebst dem Pausenmontag zwei wesentliche Gründe. Der erste ist Anders Eckeborns Gitarrenspiel. Ursprünglich professioneller Cellist erlitt er als Jugendlicher in beiden Armen erhebliche Belastungsschmerzen und musste die Musik vorübergehend an den Nagel hängen. Doch dann entwickelte er auf der Gitarre eine leise, unaufgeregte Spielweise, die seine Arme nicht belastete und nun wesentlicher Bestandteil des ViVii-Sounds ist.
Diese Spielweise zeigt sich in unterschiedlichen Facetten. Den Song „Summer of 99“ trägt etwa ein gemächliches Vierfinger-Zupfmuster auf der akustischen Gitarre. „Rendevous“ zupft Eckeborn im Bossa-Nova-Groove auf der klassischen Klampfe durch. Und in „Swimming Pool“ setzt er mit feinen Saitenschlägen glitzernde Sterne an den Nachthimmel über dem besungenen Schwimmbecken.
Der zweite Grund ist das allgemeine Wohlgefühl des Trios untereinander, das man auf dem Album zu spüren glaubt. Im Medientext erzählt Caroline Jonsson über sich und ihren Mann Emil, der dritte im ViVii-Bunde, sie hätten immer wieder versucht, mit anderen Menschen Musik zu komponieren. „Es war immer schwierig für uns. Wir fühlten uns nicht sicher genug. Doch mit Anders war es von Beginn weg immer einfach.“ Alle drei seien introvertiert und recht sensibel. „Zusammen fühlen wir uns unglaublich wohl.“
Die Folge ist Harmonie, die man als schwedische Modifikation von Belle & Sebastian umschreiben könnte. Ähnlich wie die berühmten Schotten basteln ViVii komplexe Songkonstrukte, die sie mit minimalistischen Instrumentierungen und klaren Gesangslinien einfach klingen lassen. Ausserdem kultivieren sie das unaufgeregt gesungene Duett-Konzept ähnlich wie Belle & Sebastian.
Dies tun sie allerdings sauberer und präziser, wie man es aus Schweden gewohnt ist – in der Tradition von Roxette oder Abba, aber auch Lykke Li etwa. Das heisst: Wenn Caroline und Emil synchron singen, dann überdecken sich die beiden Stimmen derart exakt, dass daraus eine neue Stimme entsteht. Derlei ist nicht nur äusserst anspruchsvoll in der Umsetzung, es führt auch dazu, dass in der Kolorierung der Songs plötzlich mehr als zwei Farben zur Verfügung stehen.
Schönstes Beispiel dafür ist „Read Between“. Emil singt die erste Strophe; in seiner Stimme schwingt eine erschöpfte Einsamkeit mit. Im Refrain gesellt sich Caroline dazu, die Erschöpfung verschwindet, das Doppelorgan wirkt selbstbewusster, fasst Mut. Die zweite Strophe gehört der weiblichen Stimme. Caroline singt sie liebevoll, zärtlich, umarmend. Der folgende Refrain kommt in seiner Zweistimmigkeit durch diesen Perspektivenwechsel plötzlich zuversichtlich, zufrieden daher. Zwei Stimmen, viele Farben – ein faszinierendes Spiel, das ViVii da treibt.
Die Farben bleiben in Pastell – unaufdringlich, unaufgeregt, leise und fein. „Mondays“ ist an gemütlichen, an freien Montagen entstanden. Und das Album hat das Potenzial, unangenehmen Montagen diesen hübschen Pastellanstrich zu verleihen.
Tracklist:
1. One Day
2. Summer Of 99
3. Disco All Night Long
4. Rendezvous
5. Fool Alone
6. Swimming Pool
7. Smackdown
8. Read Between
9. Wider Sun
10. Baby Be The Light
Bandmitglieder:
Caroline Jonsson – Gesang und Keyboard
Emil Jonsson – Gesang und Gitarre
Anders Eckeborn – Gitarre
Gründung:
2018
Text: Redakteur*in