igroove / VÖ: 18. November 2016 / Post-Punk, New Wave
visionsinclouds.com
Text: Michael Bohli
Die Zeit verläuft nicht linear, alle Momente und Augenblicke geschehen gleichzeitig und sind immer vorhanden. Kreative Energien und Geschehnisse können somit in jeder Minute angezapft und beeinflusst werden – soweit zumindest gewisse Theorien. Wenn man das Debütalbum „Masquerade“ der Luzerner Band Visions In Clouds anhört, scheinen diese Gedankenspiele aber weit mehr als nur Worte auf dem Papier zu sein. Denn die vier Mannen greifen mit ihren Liedern weit in den typischen New Wave hinein – in Klanggebiete, in denen damals Joy Division Herrscher waren.
Lieder wie „Bodies“ und „Time“ (Ha!) sind aber nicht dazu da, um die alten Zeiten zu glorifizieren. Viel mehr nehmen Visions In Clouds die Traditionen auf und erweitern die Musik, welche damals düstere Gemüter zum Leuchten brachte. Schliesslich hätte es damals noch keinen polyphonen Synthie in den Songs gegeben, aber hier gehört dieses Instrument zu der Umgebung wie der tiefstimmige Gesang und die Gitarrenwände. So wird meist zuerst von der Rhythmusfraktion ein trockenes Rohgerüst gezimmert, das sich nach und nach mit Leben und Melodie ausfüllt. Die elektronischen Klänge regieren vor allem zu Beginn der Platte, geben sich dann aber doch mehr und mehr den Saiten geschlagen.
Wer sich „Masquerade“ anhört, der wird wohl einige Male das Gefühl haben, in einem kahlen Betonraum zu sitzen. Kein Wunder, wurde das Album von Visions In Clouds doch in Berlin aufgenommen und verströmt somit den kühlen Charme der Grossstadt. Man lässt sich durch die Strassen treiben, spürt den leichten Regen auf den Wangen und vernimmt im Ohr die treibenden Songs dieser Scheibe. Luzern ist nicht nur ein Stück urbaner geworden, man hat auch wieder eine grössere Zuneigung zur Melancholie. Nur maskieren muss sich hier niemand.