Band: The Beths
Album: Jump Rope Gazers
Genre: Indie / Pop
Label: Carpark Records
VÖ: 10. Juli 2020
Webseite: thebeths.com
Wenn man im Herzen Europas lebt, in einem Land mit kurzen Wegen und hoher Mobilität, hat man einen anderen Bezug zu Distanzen. Der Wohlstand öffnet einem das Tor zur Welt, an dessen anderem Ende The Beths zuhause sind. Jede Tour, die sie in Angriff nehmen, entspricht einer Weltreise, jede Bezugsperson, die wegzieht, erreichen sie nur noch mit einem langen Flug. Oder gar nicht mehr. Wer so abgelegen wohnt, der kennt es nicht anders und dennoch ändern sich die Zahlen nicht: Neuseeland ist schlicht und einfach extrem weit weg von (fast) allem. Man muss aber nicht alleine sein, um sich einsam zu fühlen und man kann Menschen auch vermissen, wenn sie in der gleichen Stadt wohnen. In diesem Fall ist es Auckland und Elizabeth Stokes weiss zu berichten, wie es ist, wenn einem jemand fehlt. Die Hauptsongwriterin und offenbar auch Namensgeberin von The Beths übersetzt ihre Gefühlswelt in herzerwärmende sowie ausgezeichnet arrangierte Indie-Songs, die bereits 2018 auf dem Debüt “Future Me Hates Me“ alles hatten, was man sich ausmalen möchte. Dass es ihr auf “Jump Rope Gazers“ noch ein bisschen besser gelingt, ist bemerkenswert und hat nichts mit mehr Reife zu tun, sondern mit einer Schärfung des bandeigenen Sounds.
“Happy Unhappy“. Die beste Umschreibung des musikalischen Gemütszustandes von The Beths. Zumindest was das Debüt betrifft, von dem dieser Song stammt. Auf “Jump Rope Gazers“ steht neben Stokes auch das Thema Gemeinschaft im Fokus und wie sie im 21. Jahrhundert noch zusammengehalten werden kann, wenn sich Freundschaften in alle vier Himmelsrichtungen zerstreuen. Oder in drei, denn weiter südlich von Neuseeland kommt eigentlich nichts mehr. “Long distance is the wrong distance“, singt Stokes in “Do You Want Me Now“ und bringt es damit auf den Punkt. Es reicht eben nicht, sich per Videoschaltung zu sehen, auch wenn das längst möglich ist und eine andere Kommunikation erlaubt als “nur“ per Telefon oder Brief.
Sich aus den Augen zu verlieren, ist also auch dann möglich, wenn man sich effektiv noch sehen könnte. “That I am out of heart when out of sight/ I keep a flame burning inside/ If you need to bum a light“, heisst es in “Out Of Sight“, einem der besten Stücke auf diesem Album und das dazugehörige Ornithologen-Video zeigt, dass The Beths die Leichtigkeit nicht abgeht, sie den Humor nicht verlieren und sich selber nicht so ernst nehmen. The Beths sind die temporeicheren Nada Surf mit Beach-Boys-Einschlag. Solch smarte Gesangsharmonien muss man schon äusserst gut machen, damit sie nicht käsig klingen. Die sprachlichen Bilder von Stokes können nicht die Weakerthans ersetzen, leiden aber sicher nicht an zu wenig Tiefgang. Schliesslich sind die einzigen Schwächen das mit Absicht erneut schrill-schlimme Cover und der etwas dünne, kraftlose Mix. Ansonsten aber ist “Jump Rope Gazers“ ein Anwärter auf den Indie-Thron im aktuellen Jahr, mit dem Titeltrack als Anwärter zum Indie-Hit.
Tracklist:
1. I’m Not Getting Excited
2. Dying To Believe
3. Jump Rope Gazers
4. Acrid
5. Do You Want Me Now
6. Out Of Sight
7. Don’t Go Away
8. Mars The God Of War
9. You Are A Beam Of Light
10. Just Shy Of Sure
Bandmitglieder:
Elizabeth Stokes – Gesang und Gitarre
Jonathan Pearce – Gitarre und Gesang
Benjamin Sinclair – Bass und Gesang
Tristan Deck – Schlagzeug und Gitarre
Gründung:
2015
Text: Michael Messerli