Datum: 10. Oktober 2015
Im Gespräch mit: Manuel Kollbrunner und Yannik Schuler von Pablopolar
Bunt, so beschreibt der Sänger der Band Pablopolar, Manuel Kollbrunner, im Interview das neue Album „Colorize“ in einem Wort. Das hast du dir jetzt aber sehr einfach gemacht, denke ich. Ist da wohl die Nervosität etwas hoch, anlässlich der Plattentaufe des mittlerweile dritten Streichs der Berner Indierocker mit Weltformat? Doch Pablopolar brauchen sich diesbezüglich keine Gedanken zu machen. In der Schweiz sind die Berner ja mittlerweile bereits so bekannt wie ein bunter Hund.
Davon, alte Hasen zu sein oder Liveauftritte als Business as usual abzustempeln, wollen die Musiker aber nichts wissen. Gut, einige graue Häärchen und eine gewisse Erfahrung nach drei Alben lassen die beiden tatsächlich gelassener wirken. Man lasse sich halt nicht mehr von allem und jedem ins Boxhorn jagen und sei auch nicht gleich von 100 auf 0 wenn mal nicht alles reibungslos verlaufe, so Manuel. „Durch eine gewisse Erfahrung können wir uns noch mehr freuen und noch mehr geniessen und das ist es, was schön ist“.
Tatsächlich wirken die Musiker so kurz vor dem Auftritt nicht gestresst. Plaudern vergnüglich und als ob die Zeit nicht drängen würde über ihr neues Album und die bevorstehende Tour. Geben auch Antworten auf Fragen, die gar nie gestellt wurden. So würde Sänger Manuel gerne mal das Mikrofon gegen eine Trillerpfeife tauschen und eine Fussballmannschaft coachen. Die perfekte Aufstellung aus aktuellen und früheren Spielern kommt wie aus der Pistole geschossen. Alles natürlich in schwarzgelb unter dem Namen und Logo von YB.
Aber auch ernste Themen kommen zur Sprache. Offen geben sie Auskunft über die tiefe Krise der Band, die auch ihre Spuren hinterlassen hat. „Da ist das erste Album mit einem riesen Erfolg und du denkst, yeah, jetzt entdecken wir die grosse Welt. Und dann kommt die zweite, schwierige, schwere und melancholische Platte, wo die Band irgendwie den Faden verloren hat“, sagt Manuel. „Hinzu kam noch die schwierige Trennung vom Major Label. Da kommen halt die grossen Selbstzweifel und essentielle Fragen wie: Ist das noch die Musik, die wir wollen? Gefällt uns das Leben als Musiker? Ja wollen wir überhaupt noch Musik machen?“ Gerade diese Trennung vom Major Label hat sich aber als Befreiungsschlag entpuppt. „Wir haben halt einfach wieder bei Null angefangen. Darum fühlt sich „Colorize“ wie ein Debut an. Wir fingen wieder an Musik zu machen. Abseits von zeitlichem und finanziellem Druck und so war die verlorene Freude plötzlich wieder da. Da hat dann alles wieder geflutscht, was vorher nicht mehr ging. Es fühlt sich gut an noch Musik zu machen und auf der Bühne zu stehen“.
Das spürte das Publikum an diesem Abend im Bierhübeli. Pablopolar sind zurück. Mit einem Album, das sich von seinen Vorgängern deutlich abgrenzt. Vor allem aber haben die Bandmitglieder eine unglaubliche Ausstrahlung und Präsenz an diesem Abend. Sprühend vor Energie zaubern die Musiker eine Klangwelt nach der anderen in die dunkle Nacht hinein. Wie die sprichwörtliche Auferstehung des Phoenix aus der Asche steigt die Band empor. „Ja „Colorize“ ist wie ein Neustart. Das kommt auch so rüber, weil es sich im Innern von mir genauso anfühlt“, meint Sänger Manuel nachdenklich.
Die Songs auf dem Album „Colorize“ grenzen sich gleichwohl von den Vorgängeralben ab und schaffen es doch, eben genau den bekannten Sound von Pablopolar zu ergänzen. Elegisch, so beschreibt Gitarrist Yannik „Colorize“ in einem Wort. Schwermütig also und doch ist auf dem Album eine unglaubliche Freude zu finden. Im verspielten Klang der Trompete oder den dezidierten Gitarrenparts. Die Songs sind aufbauend. Von einem Ton ausgehend vermögen es Pablopolar unglaublich breite, schwere und doch im Raum sanft gleitende Klangteppiche auszubreiten. Diese halten sich so lange, bis sich die Stimme von Manuel mit den zarten, minimalistisch gehaltenen Saiten- und den Synthieklängen verwebt. Bis nichts mehr zu erkennen ist, was Gesang und was Klang der Instrumente ist. Am schönsten zu erleben in der dargebotenen Performance des Songs „Ambulance“ an diesem Abend.
Laut Manuel ist in diesem Song auch massgeblich die idyllische Atmosphäre von Seelisberg vertont. Hier oben, in der Wiege der Schweiz, oberhalb vom Vierwaldstädtersee entstand das Album „Colorize“. Für die Aufnahmen hat sich die Band in ein Ideenhaus zurückgezogen. „Das war ein wichtiger Schachzug. Hier haben wir zusammen gelebt, zusammen gekocht, zusammen geschlafen (lacht) und natürlich sind wir zusammen kreativ gewesen. Einfach so abgeschottet zu sein wie in einer Blase. In der wunderschönen Natur, ausgebrochen aus dem Alltäglichen, ganz ungestört, die Weite geniessend, das war sehr inspirierend“.
Es wundert nicht, dass Pablopolar zuversichtlich in die Zukunft schauen. Der Terminplan ist voll. Es stehen Konzerte in der Schweiz an, aber auch im Ausland. Es zieht sie demnächst für fünf Auftritte nach Polen. Polen sei schliesslich, wie Yannik schmunzelnd und wohl mit etwas Ironie feststellt, the place to be für Musiker! Der aufstrebende Musikmarkt in Europa. Damit werden sich die Bandmitglieder aber nicht begnügen. „Wir erobern die Welt gen Osten hin“, verrät Yannik nicht ohne zu schmunzeln und Manuel ergänzt lachend: „Zum Schluss wollen wir schliesslich auch noch den Mond bezwingen! Aber im Ernst, wir haben uns von Anfang an international orientiert. Doch es ist halt schwierig das als Band zu realisieren. Darum freuen wir uns jetzt erst mal auf die Gigs in Polen und natürlich hier in der Schweiz“.
Nun, dass es so weit gekommen ist, verdanken Pablopolar nicht zuletzt auch ihren treuen Fans. Ohne grosses Label im Hintergrund musste „Colorize“ komplett in Eigenregie entstehen. Zwar hatte die Band keinen zeitlichen Druck, doch benötigt es Geld zur Finanzierung eines Albums. Durch Crowdfunding erwirtschaftete sich die Band den stolzen Betrag von Fr. 15‘. Doch das Crowdfunding war nicht nur als Geldmaschinerie gedacht. „Klar, waren wir angespannt, ob diese Finanzierung tatsächlich funktionieren würde. Wir wollten auch wissen, ob’s überhaupt noch gewünscht ist, dass wir ein neues Album aufnehmen“, meint Manuel. „Es war eine Bestätigung für uns zu sehen, dass es doch noch viele Leute gibt, die sich freuen, wenn wir weiter Musik machen. Das hat uns Auftrieb gegeben“.
Das Ziel wurde sogar übertroffen. Nicht zuletzt vielleicht auch weil Pablopolar für einen gewissen gespendeten Betrag auch eine Gegenleistung bot. Für 1‘000 Franken wären sie gar zum Spender nach Hause gekommen, um dessen Zimmer neu zu bemalen. Dieses Angebot hat aber niemand genutzt. Zweifeln die Fans vielleicht an den handwerklichen Künsten der Musiker? Wahrscheinlich sei diese Vermutung nicht ganz falsch, so Yannik und Manuel schmunzelnd. „Wir hätten sehr gerne einen Tag lang ein Zimmer bemalt. Schade kam es nicht dazu. Aber wenn uns jemand unbedingt noch 1‘000 Franken geben möchte, kommen wir natürlich sofort vorbei“, witzelt Yannik.
Wohl besser, die beiden bleiben bei der Musik. Den Beweis lieferten sie kurze Zeit nach dem Interview. Die Plattentaufe im Bierhübeli war ein voller Erfolg. Das waren auch die Hoffnungen von Pablopolar. „Für uns ist das heute wie Weihnachten feiern. Die Familie kommt zusammen, das ist immer sehr schön und es ist natürlich eine Bestätigung für die harte Arbeit die wir hatten. Wir freuen uns auf diese kleine Familie da draussen und hoffen, dass sie zwei weit geöffnete Ohren haben, die genau herhören, dankbar sind und doch auch viel von uns erwarten, auch kritisch sind“.
Die Familie freute sich definitiv auch, ihre verlorenen Söhne wieder in der Mitte aufzunehmen. Es war ein beständiges Geben und Nehmen an diesem Konzert. Pablopolar glänzte im Licht der Scheinwerfer, der Zuversicht und in den freudigen Gesichtern des Publikums. Praktisch ohne Unterbruch vollführten die Musiker nur das, was alle wollten. Das Wegdriften und versinken in Musik, wie sie nur Pablopolar schreiben kann. Grundehrlich in den Texten, verzweifelt schön in den Melodien, beinahe fassbar in der Schwere, bittersüss und direkt. Zum Schluss und so sollte Manuel also doch noch recht behalten, war von der Bühne bis hin zur Stimmung, vom Gefühl her, bis ganz tief in die zur Vollendung getränkten Musikseelen, alles ganz einfach – bunt.
Interview: Sebastian Leiggener
Bilder: Nicole Imhof