10. November 2017
Im Gespräch mit: Kurt Uenala von Null + Void
Seit vielen Jahren steht der Schweizer Musiker und Produzent Kurt Uenala mit bekannten Grössen und Namen in den Studios, um ihnen passende Songs auf den Leib und die Stimme zu schneidern, unter anderem bei Depeche Mode oder Moby. Mit „Cryosleep“ legt er nun aber ein Album vor, bei dem sich alles um ihn dreht – fast zumindest. Denn unter den Namen Null + Void präsentiert er uns nicht nur herrlich düstere und treibende Musik aus allen Ecken der Elektronik, sondern auch einige Gäste. Zeit nachzufragen, wie das Leben und Musizieren in New York so abläuft.
Michael: Ein Blick auf die Tracklist von „Cryosleep“ lässt einen stutzen, so viele bekannte Namen stehen darauf. Wer sich aber mit deiner Karriere beschäftigt, dem erscheint dies logisch. Herrschen hinter den Kulissen denn so freundschaftliche Stimmungen, wie man es sich bei einem solchen Album vorstellt?
Kurt: Ja, das ist echt so. Man teilt Mahlzeiten und reist zusammen, trinkt viel Kaffee und spielt einander Musik vor, die man mag. Da passiert es schon, dass man tiefere Freundschaften schliesst und in Kontakt bleibt, auch wenn das Projekt bereits abgeschlossen ist. Und wenn man einander Ideen vorspielt und diese gefallen, dann gibt es vielleicht die Möglichkeit, dass man kollaboriert.
Wie ist es für dich als Künstler, seit Jahren mit grossen Namen tätig zu sein, selber aber eher unter dem Radar zu fliegen?
Das ist ganz klar getrennt. Wenn ich angefragt werde, für Geld mit jemandem ins Studio zu gehen, dann ist das natürlich eine komplett andere Herangehensweise, als wenn ich meine eigenen Sachen produziere. Ich bin dann hauptsächlich dafür verantwortlich, die Musik der Person so gut wie möglich zu formen, wie sie es gerne haben würde und/oder wie ich denke, dass es am besten für das Projekt ist. Am Ende steht ihr Name auf dem Cover und meiner ist ganz klein irgendwo angebracht. Aber das ist ganz gut so. Ich würde dies nicht anders wollen, wenn ich selber jemanden anstellen würde, um mit mir ins Studio zu kommen. Da muss man sein Ego schon zu Hause lassen. Aber wenn man sein eigenes Ding daneben dreht, dann funktioniert das ganz gut.
Für dein eigenes Album hast du den Namen Null + Void gewählt – doch die Musik ist gerade das Gegenteil von Leere. Wie kommt das?
Ha, ja, das ist schon so. Aber der Gegensatz von kalter Elektronik und hoffnungsvollen Akkordfolgen ist natürlich das Interessante für mich.
Der Albumtitel „Cryosleep“ bezieht sich auf die Kryonik, das Einfrieren und Konservieren von Menschen. Denkst du, du hast mit diesen Songs Musik erschaffen, die auch in vielen Jahrzehnten noch gehört wird?
Oh nein, nein – das wurde ich mir nie anmassen. Ich mache einfach die Musik, und der Rest ist ausserhalb meiner Kontrolle. Wer weiss, was damit passiert und ob es in einem Monat noch gehört wird? Aber ich hoffe natürlich sehr, dass es wenigstens in zwei Wochen noch irgendwo gespielt wird, haha.
Deine Musik bewegt sich zwischen vielen Stilrichtungen (IDM, Techno, Pop). Woher holst du dir deine Inspiration, hörst du privat vor allem elektronische Produzenten und Künstler?
Ich höre oft Musik, die ein bisschen am Rande der alltäglichen Wahrnehmung steht, da aber nicht nur Elektronisches. Das Schöne daran in New York zu leben ist, dass ich mir nichts Kommerzielles anhören muss, weil man ausserhalb der Reichweite hantiert. Vor allem, wenn man nicht viel einkaufen geht und auch keine Taxis fährt. Als Fahrradfahrer bin ich weit von den kalten Klauen der grossen Radiostationen und sonstigen kommerziellen Musikquellen entfernt.
Ich höre viele Künstler wie Ulfur Eldjarn, Ulrich Schnauss, Roedelius oder Delia Gonzalez zu Hause. Aber auch kalte Elektronik wie Alva Noto oder Gazelle Twin.
Wenn wir schon von digitaler Musik und wissenschaftlichen Geräten sprechen – wie wichtig ist für dich Technik und Fortschritt?
Das ist mir sehr wichtig und ich bin heiss interessiert. Ich habe mich oft mit Native Instruments ausgetauscht und bin ein grosser Fan von ihren Sachen, vor allem «Maschine». Das benutze ich tagtäglich und fast jeder Song wird darauf zusammengebastelt. Klänge zu verfremden und einen Songaufbau zu erstellen ist sehr einfach und intuitiv ausgelegt, was natürlich der Kreativität zugutekommt.
Bist du eine Person, die stundenlang nach einzelnen, neuen Klängen und Beats suchen und daran basteln kann? Oder vertraust du eher den ursprünglichen Möglichkeiten deiner Synthies?
Ja, es ist schlimm. Tagelang, nicht stundenlang! Kein Witz! Es ist eine meiner Schwächen, aber ich arbeite daran, schneller zu werden.
Wie ist es, als Schweizer in New York zu leben? Allein die Grössenverhältnisse der Umgebung und die Entfernungen sind ja kaum vergleichbar.
Ja, das ist schon anders, aber irgendwie auch wieder nicht. Man findet überall sein Umfeld und bewegt sich grösstenteils darin. Ich bin auch ziemlich Manhattan-orientiert, da ich Fahrradfahrer bin und dieser Stadtteil nicht so gross ist. Das Beste sind natürlich die Ladenöffnungszeiten und auch die vielen verschieden Kulturen (von russisch über jamaikanisch, lateinamerikanisch, irisch, chinesisch und mehr). Das ist auch für die Kulinarik sehr zuträglich.
Existiert in New York eine neue Musikszene im Untergrund, die man mit früherem Treiben vergleichen kann?
Nein, leider nicht mehr. Die Klubs sind bis auf zwei oder drei alle ziemlich langweilig und geldorientiert. Und ich meine damit nicht nur ein paar teure Drinks, sondern richtig dicker «Bottle Service», bei dem ein guter Kunde mal schnell 400 Dollar liegen lässt. Das zieht natürlich eine Klientel an, das keine experimentellen Sachen hören will. Dann muss es einfach Krach machen und zur Konsumation animieren.
Darf man auf ein weiteres Null + Void-Album in naher Zukunft hoffen?
Ja, das kommt schon! Ich habe schon paar Ideen ausgearbeitet, aber das dauert noch eine Weile. Ich bin halt ein bisschen “obsessiv”.
Besten Dank für das Interview.
Danke dir, Michael!
Interview: Michael Bohli