13. Februar 2020
Im Gespräch mit: Marco Naef von The Night Is Still Young.
Nach zwei musikalisch mitreissenden Alben als Band, tritt Marco Naef nun alleinig unter dem Pseudonym The Night Is Still Young auf. Und das passt wunderbar, präsentiert uns der Basler Musiker mit seiner dritten Platte „She Wants Us To Leave“ nicht nur ein soziopolitisch aktuelles Werk und eine Streitschrift für die bewusste Lebensweise, sondern intime Gedanken.
Verpackt in kurze Lieder und mitreissende Melodien wird weltoffener und kritischer Folk-Rock geboten, der düstere Gedanken und beschwingten Momenten zusammenführt. Wir haben den Künstler vor dem Veröffentlichungstag auf ein Gespräch über unsere Welt und die persönlichen Kämpfe getroffen.
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Michael: „She Wants Us To Leave“ ist ein klares Statement für den Umweltschutz, für die Natur. Der Wandel beschäftigt dich.
Marco: Das Album wie das letzte („Universal Boundaries„) ein Spiegel, in erster Linie für mich, aber auch für die Gesellschaft. Wenn gewisse Songs wie eine Anklage klingen, dann richtet sich dies immer zuerst an mich, schliesslich bin ich gleichermassen ein Umweltsünder. „She Wants Us To Leave“ heisst, dass die Erde uns loswerden möchte. Der Planet ist eine sehr wichtige Zelle im metaphorischen Körper des Universums und leider vom Krebs befallen.
Kann die Musik Menschen in solchen Themen überhaupt zum Umdenken bewegen?
Ja, das glaube ich, sonst würde ich keine Songs schreiben. Musik ist ein Ventil für mich, und diese Platte musste raus, damit ich weiterleben kann. Es gibt Menschen, welche die Songtexte noch lesen und sich dazu Gedanken machen, und es etwas in ihnen bewegt. In meinem Falle ist das definitiv Nick Cave, der es schafft, mich immer wieder abzuholen.
Ist es denn überhaupt korrekt, Konzerte zu spielen und dafür hin und her zu reisen, gerade in Umweltfragen?
Was man machen darf, das entscheidet man in erster Linie selber und trägt die Verantwortung der persönlichen Handlungen. Mit den Hathors werde ich für ein paar Konzerte nach Berlin fliegen, denke aber, dass man sich dafür nicht rechtfertigen muss. Die Anknüpfungspunkte liegen woanders, die Menschheit sollte wieder stärker zusammenarbeiten, ohne die Wirtschaft in den Vordergrund zu stellen. Dann wäre eine Zugsreise beispielsweise wieder vermehrt eine Option.
Das Album ist nicht nur düster, sondern im Klang auch positiv. Deine Musik trägt die weite Welt in sich. „There She Goes Our Beautiful World“ ist doch klar Enio Morricone.
Natürlich, Morricone und Neil Young waren schon immer starke Einflüsse für mich, bereits beim ersten Album.
Die Weite, die Klänge, Amerika schwingt in deiner Musik immer mit. Was verbindet dich mit diesem Land?
Da gibt es eigentlich wenige Verbindungen, ich war nur einmal in New York, damals noch mit Navel, ansonsten ist es primär die Musik, welche ich privat höre. Blues, Psychedelic, Jonathan Wilson oder Jimmy Hendrix, das sitzt alles in mir drin. Das Album ist ausserdem wunderbar geeignet um auf dem Highway zu fahren.
Das neue Album hast du alleine eingespielt. War dies nötig?
Erstmalig sogar, ausgenommen der Trompete und des Synthesizers – es war aber nicht nur eine finanzielle Entscheidung (lacht). Ich hatte grosse Lust darauf, alle Instrumente selber zu spielen. Zum ersten Mal ist das Album nicht am Stück, sondern verteilt auf ein Jahr entstanden.
Gegenüber deinem letzten Album sind die Songs sehr kurz. Wie entstehen diese unterschiedlichen Arten von Liedern?
Es war dieses Mal tatsächlich eine Art Konzept, als ich vor einem Jahr mit «Instant Love» mich selber herausforderte, ein Lied zu schreiben, das trotz kritischem Text im Radio gespielt wird. Und diese Dynamik zog sich dann das komplette Album hindurch – ohne Erwartungshaltung. Trotz der kurzen Spielzeit ist die Platte für mich schwer und sehr intensiv.
Wie findet man solch treffende und dichte Melodien, beispielsweise beim Titelsong, bei „Let Me Sleep Tonight“ oder „Devastation“?
„Let Me Sleep Tonight“ war der erste Song, den ich für diese Band im Jahr 2006 aufgenommen habe – da existiert sogar noch eine Kassette davon. Und viele Leute sagten mir immer wieder, dass ich diesen endlich veröffentlichen sollte, was ich nun etwas neu arrangiert gemacht habe.
Jeder Song auf der Platte hat eine Hookline, ob durch meinen Gesang oder ein Instrument – was ich bei aktuellen Bands und Musiker zu oft vermisse. Oft entsteht dies durch Zufall oder einem Fehler beim Spiel, und dann öffnet sich ein neues Universum. Meist geht dies ziemlich schnell, es drängt sich aus mir heraus. Und das schönste ist dann, in wenigen Tönen viel sagen zu können.
Was macht denn das Morrissey-Cover auf dem Album?
Schlicht und einfach: Es ist mein Lieblingssong. Nachdem ich ein Demo eingespielt hatte merkte ich, dass er gut zum Thema des Albums passt – viele Überlegungen stecken nicht dahinter. Natürlich ist Morrissey ein schwieriges Thema, allerdings drückt das Cover keinesfalls meine Meinung oder eine Zuneigung zu diesem Menschen aus, sondern rein zum musikalischen Aspekt. Es soll kein Statement sein, ich kenne den Menschen Morrissey schlussendlich nicht persönlich.
Letzten Sommer durftest du Jonathan Wilson in der roten Fabrik als Support begleiten. Von was träumst du als Musiker?
Das ist eine schwierige Frage. Der Output ist für mich immer wichtiger als die Rückmeldungen, weil ich es geschafft habe, für diese Platte meine Erwartungen abzulegen. Egal was passiert, ich bin auf einem guten Weg, mein Ego abzubauen. Was auf jeden Fall wichtig ist: Authentisch zu sein und dies zu bleiben. Dass ich meine Musik ohne fremde Einflüsse so darbieten kann, wie ich mir dies wünsche.
Dein Terminkalender ist momentan sehr voll, nicht nur durch TNISY, sondern den Hathors. Wie behält man den Überblick?
Dazu kommt das Privatleben. Ein guter Freund sagte vor Kurzem zu mir: „Wie viele Leben hast du eigentlich schon gelebt?“ Früher war ich einmal Profi-Radrennfahrer, ich bin zäh. Ich kann mich unglaublich gut organisieren, ich bin ein super Disponent – mit dem Wissen, dass nichts selbstverständlich ist. Darum klappt es meist sehr gut.
Basel hat zurzeit eine unglaublich umtriebige Musikszene. Wie ist das für dich?
Nach einer schwierigen Zeit, in der ich mit dem gesamten Business meine Mühe hatte, bemerkte ich, dass ein solches Verhalten viel kaputt macht. Die Selbstfindung war dabei wichtig und das Bewusstsein, dass man wahrgenommen wird. Nun besuche ich wieder Konzerte und Veranstaltungen und beteilige mich an der Szene. Es war ein längerer Prozess.
Zum Abschluss: Was hält dich in der Nacht jung?
Der Bandname ist aus einer Trennung entstanden, in der meine damalige Partnerin ein Gedicht mit dieser Zeile geschrieben hatte – und seither ist dies mein Pseudonym. In der Nacht schlafe ich meistens (lachen). Was mich antreibt: Das Wissen, dass ich Krisen überstehen werde, gestärkt rauswachse und auf jeden Fall weitermache. Das grösste Ziel wird bleiben, mein Bewusstsein in positive Energie umzuwandeln und andere Menschen zu inspirieren. Dies ist meine grösste Aufgabe. Tag für Tag.
Vielen Dank für deine Zeit und Musik.
Interview: Michael Bohli