… irgendwann am M‘era Luna 2014
Im Gespräch mit: Jens Tetzner von microClocks
Dennis: Ihr hattet ein ziemlich turbulentes und erfolgreiches Jahr 2014. Wie seht ihr das Jahr jetzt in der Retrospektive? Was waren eure Highlights?
Jens Tetzner: Unser persönliches Highlight war sicherlich der Auftritt im Rahmen des M’era Luna-Festivals – neben Größen, wie Marilyn Manson oder auch einer unserer Lieblingsbands Paradise Lost. Dank der Zusammenarbeit mit Paddy Bernhardt vor Ort und der großartigen Produktion von Peter Dommaschk und Till Heinritz, die in der Vergangenheit bereits für And One und Blutengel tätig waren, konnten wir einen kleinen Eindruck sogar in Bild und Ton festhalten.
Neben dem M’era Luna waren darüber hinaus die ersten Arbeiten am neuen Album mit Olaf Wollschläger und John Cremer ein weiterer Höhepunkt. Und nicht zuletzt ist der Auftakt unserer Crowdfunding-Aktion zu erwähnen, welcher – im Nachhinein betrachtet – den Grundstein für die erfolgreiche Finanzierung der Album-Produktion durch unsere Fans darstellt.
Gibt es etwas, das ihr anders machen würdet?
Hm, vielleicht würden wir uns – Stand heute – bereits vor Release unseres Debut-Album ‚Opinions Are On Sale’ um eine Booking-Agentur bemühen. Die Zusammenarbeit mit einer professionellen Booking-Agentur vereinfacht den Weg zu Events wie M’era Luna und Co. schon ein wenig.
Ihr produziert das neue Album mit Hilfe von Crowdfounding. Was ist der Unterschied bei der Arbeit? Entsteht eine andere Verbindung mit euren Fans, wenn sie euch in dieser Form unterstützen?
Auf jeden Fall! Über den gesamten Zeitraum des Crowdfundings standen wir mit unseren Fans – oder andersherum: unsere Fans mit uns – in Kontakt. Dabei entstehen natürlich Kontakte mit bekannten und neuen Gesichtern – also auch zu Leuten, mit denen wir zuvor noch nie geredet oder geschrieben hatten. Die Fragen der Fans gingen dabei zumeist über die Inhalte der neuen Platte hinaus und drehten sich um mögliche Tourdaten im Zuge der kommenden Veröffentlichung, Label- und Vertriebsstrukturen etc. Es gab sogar eine Anfrage für einen Aufsatz in einem Fachmagazin für Kulturmanagement. Der Zuspruch insgesamt war dabei – neben der nun geschaffenen finanziellen Grundlage – Ansporn für uns genug zu sagen: Die Scheibe machen wir jetzt mal so richtig fett!
Wohin wird die musikalische Reise gehen? Ihr plant eine Verlagerung von dem elektronischen Programming hin zu mehr „echten“ Instrumenten – was hat euch dazu bewegt?
Für Bands mit unserem Standing ist oftmals das zur Verfügung stehende Budget das Alpha und Omega einer Produktion. Und obwohl wir durchaus eine veritable Live-Band sind, ist es oftmals eben dem Geld, oder vielmehr dem Mangel an eben jenem geschuldet, dass in der Vergangenheit bestimmte Dinge im Produktionsprozess etwas weniger opulent ausfallen mussten, als wir es eigentlich gerne hätten. Und so ist auf den bisherigen Alben eben insbesondere an den Drums das etwas preisgünstigere Programmieren der Drumspuren am Computer zum Einsatz gekommen. Immer nah dran an dem, was unser Drummer auch live tut… aber eben programmiert.
Das ist erstmal nicht grundsätzlich schlecht, hat man doch sehr viel mehr Möglichkeiten, den vermeintlich optimalen Groove zu zimmern. Aber unser Anspruch ist eben mittlerweile auch, so authentisch und so nah an unseren Live-Performances wie möglich zu sein. Bei allem elektronischen Geraffel, was in unseren Tracks so rumflattert: Echte Drums mit all den kleinen Nuancen, die einen live eingespielten Track erst lebendig machen, können einen Song massiv aufwerten.
Woraus zieht ihr hauptsächlich die Inspiration für eure Songs?
Das ist zumeist eine Mischung aus Erdachtem und Erlebtem, aus Fiktion und Wirklichkeit. Oder entsteht aber, wie es bei unserem letzten Album der Fall war, aus dem Willen heraus, unser aller Leben zu reflektieren, den Menschen einen Spiegel vorzuhalten, um sie aufzurütteln. „Opinions are on Sale“ ist in seiner Endfassung so etwas wie ein Konzeptalbum geworden, ohne, dass wir dies vorher geplant hätten. Doch die Dinge, die uns seinerzeit beschäftigt hatten, die tagtäglich über Medien noch immer und immer wilder auf einen einprasseln haben dazu geführt, dass sich eben ein Großteil der Songs um die Frage unserer Existenz, unserem Umgang mit der Welt und den auf ihr lebenden Menschen drehen… Der Frage nach dem Warum und Wie, dem Woher und Wohin.
Und auch wenn wir zu dem Thema sicher schon viel gesagt haben, wird es hier und da auch auf dem neuen Album auftauchen. Jedoch nicht mehr in dieser geballten Form. Schließlich ist in unser aller Leben in den letzten vier Jahren so haarsträubend viel passiert, dass es sträflich wäre, nicht auch davon zu erzählen. Zwei von uns genießen seit letztem Jahr Vaterfreuden, wir haben einen Besetzungswechsel an der Gitarre vollzogen, sind sicher um einige, zum Teil schmerzliche Erfahrungen reicher… All das ist in unsere neuen Songs eingeflossen und wird unserem Sound sicher ein paar neue Facetten verleihen.
Wie versteht ihr eure Rolle als Musiker in der Gesellschaft? Es gibt ja die verschiedensten Ansätze vom romantischen Poeten über den akustischen Dienstleister bis hin zum Teilnehmer in einem Informations-Krieg; wo würdet ihr euch da verorten?
Mmmmh… Ich weiß nicht, was akustische Dienstleister oder Teilnehmer in einem Informations-Krieg ausmacht, aber Poesie trifft es sicher noch am ehesten, Unsere Songs sind sicher nicht immer romantisch! Im Gegenteil! Rufen sie doch oft genug dazu auf, das Hirn einzuschalten, den Arsch zu bewegen und etwas gegen die großen Ungerechtigkeiten in dieser Welt zu tun. Da wir dabei zumeist versuchen, das Ganze in Metaphern oder Allegorien zu verpacken, die durchaus dazu geeignet sind, sich damit mehr als nur ein paar Minuten zu beschäftigen, ließe sich das Ganze sicher als Poesie bezeichnen…
Wenn man Musik macht, wird man ja von der Presse oder dem Plattenladen ständig verglichen und in Schubladen gesteckt. Bei euch waren es ja unter anderem Vergleiche mit Depeche Mode. Stört oder schmeichelt euch das?
Derartige Vergleiche sind erstmal nicht grundsätzlich schlecht. Zeigt es doch, dass man auf einem Level angekommen ist, auf dem man wahrgenommen und ernstgenommen wird. Man wird verglichen mit einer der erfolgreichsten und langlebigsten Bands der letzten Jahrzehnte… Wow! Und auch, wenn wir selbst der Meinung sind, dass wir, abgesehen vom männlichen Gesang und den elektronischen Einsprengseln in unserer ansonsten als Gitarren-Rock angelegten Soundwelt, nicht allzu sehr in diesen Gewässern fischen, ist es erstmal ein riesiges Kompliment.
Es stört nur immer erst dann, wenn man darüber hinaus nicht als eigenständig kreativ wahrgenommen wird. Wir sind kein DeMo-Soundalike! Wollten es nie sein und setzen sehr viel daran, nicht zu tief in diese oder jede andere Schublade gesteckt zu werden. Ich glaube, wir haben über die vielen Jahre unserer Zusammenarbeit unseren eigenen Sound gefunden und der sorgt trotz aller Schubladen oft genug dafür, dass Leute, Fans, Veranstalter oder Produzenten mit den Achseln zucken und sich fragen, wo sie uns hinstecken sollen: Für klassischen Rock zu elektronisch und verspielt, für Synthiepop zu Gitarren lastig… Mein Tipp: Lasst die Schubladen zu und macht euch ein eigenes Bild von unserem Sound! Es lohnt sich! Versprochen!
Von all dem abgesehen; was ist für euch unverkennbar microClocks; was ist euer Markenzeichen?
Schon mal versucht einen Geruch zu beschreiben?! So in etwa fühle ich mich, wenn ich beschreiben soll, wie microClocks klingen! Was ist unser Markenzeichen? Ist es die Fusion von klassischem Rock und modernem elektronischem Sound? Sind es die Texte, die zum Nachdenken auffordern? Oder sind es die vermeintlich eingängigen Melodien, die oftmals genau dann gebrochen werden, wenn man es grad nicht erwartet? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht! Daher noch einmal mein Tipp: Anhören!
Gibt es für euch ein musikalisches No-Go; eine Musik, die ihr vollständig ablehnt?
Immer dann, wenn ich das Gefühl habe, dass Musik; oder Kunst im Allgemeinen, nicht aus Liebe zur Sache, sondern aus reiner Profitgier gemacht wird, krümmen sich bei mir die Fingernägel. Leider habe ich bei dem, was uns so täglich um die Ohren schwirrt immer häufiger genau dieses Gefühl. Da wird marktorientiert produziert, kopiert und abgekupfert, abgeschöpft und ausgesaugt… Und dem unbedarften Konsumenten wird dies auch noch als große Kunst verkauft. Dann höre ich die Argumentation: Ach wieso, das ist doch gar nicht schlecht! Bist ja nur neidisch! Oder sehr beliebt: Mach doch auch mal wie XY!
Ich bin bei allem Ringen um mehr Reichweite und Anerkennung eigentlich ganz froh, dass wir mit microClocks genau den Sound machen können, den wir selber wollen. Jeder Ton, jeder Sound, der seinen Weg auf unsere Alben findet, ist dort, weil wir es so wollen und nicht, weil wir glauben, damit besser anzukommen!
Auf der anderen Seite; gibt es Tabu-Themen, von denen man als Musiker die Finger lassen sollte?
In der Liebe und der Kunst gibt es keine Tabus! Punkt!
Interview: Dennis Bäsecke-Beltrametti