24. März 2017
Im Gespräch mit: Esteban Girón – Gitarrist bei Exquirla.
Das Herz mit dem Kopf zusammenzubringen, Musik leidenschaftlich und technisch zu perfektionieren – Eigenschaften, die Toundra – eine Post-Rock Gruppe aus Madrid – auszeichnen. Zusammen mit dem Flamenco-Sänger Niño de Elche haben die Musiker unter dem Namen Exquirla aber etwas völlig neues kreiert. Grund genug um nach dem Studium ihres ersten Albums „Para Quienes Aun Viven“ bei der Band direkt noch ein paar Wahrheiten zu suchen.
Michael: Zuerst eine Gratuliation. Mit eurem Album „Para Quienes Aún Viven“ habt ihr ein intensives und mitreissendes Werk erschaffen.
Esteban: Danke, das freut uns sehr zu hören und ist aufregend.
Mit Toundra macht ihr seit 2007 Musik und habt euch einen grossen Namen in der Post-Rock-Szene erarbeitet. Anstelle eines sechsten Albums habt ihr euch aber zu einer Zusammenarbeit mit Niño de Elche entschieden. Woher kommt diese Idee?
Wir lernten uns auf dem Monkey Week Festival kennen – eine Art Messe für das professionelle Musikbusiness. Niño de Elche und ich haben beide Konferenzen veranstaltet und gemerkt, dass wir vieles gemeinsam haben in Bezug auf unsere Vergangenheit und Arbeit. Nach ein paar Bier spät nachts habe ich ihm gesagt, dass ich gerne mit ihm etwas aufnehmen möchte. Und „Para Quienes Aun Viven“ ist das Resultat.
War diese Zusammenarbeit einfach, oder stellte sich die Verbindung des Flamenco mit dem instrumentalen Rock als kompliziert heraus?
Nein, es war einfacher als erwartet. Wir wussten, dass Flamenco-Musik und Post-Rock gewisse Werkzeuge wie mantraartige Passagen, Ambient und Forte-Allegro-Wechsel gemeinsam einsetzen. Somit wussten wir von Anfang an, dass es „einfach“ werden wird. Die Verbindung war schnell hergestellt. Das Schwierige war aber, in nur wenigen Wochen zusammen tolle Songs hinzukriegen.
Der Post-Rock lebt vom Ausdruck der Instrumente, Flamenco von den leidenschaftlichen Gesängen. Wie kreiert man da eine Schnittstelle?
Nun, ich denke, Post-Rock ist eine sehr leidenschaftliche Musik. Wenn es dies nicht wäre, könnte ich niemals einen Post-Rock-Song schreiben. Auf der anderen Seite musst du dir mal Paco de Lucía oder Camarón de la Isla anhören. Hier gibt es viele Ausdrücke mit ihren Instrumenten. Um zur vorherigen Antwort zurück zu kommen: Flamenco und Post-Rock sind sich näher als wir denken.
Habt ihr die Musik gemeinsam komponiert, oder folgten die Texte den finalen Songstrukturen?
Ja, wir haben es gemeinsam während fünf Wochen in 2016 erarbeitet. Alle von uns kamen mit Ideen in den Übungsraum und haben es gemeinsam fertiggestellt.
Flamenco ist eine wichtige Tradition in Spanien und gehört seit 2010 zum Weltkulturerbe. Wie offen sind die Menschen bezüglich Veränderungen an diesen Werten?
Darüber haben wir nicht nachgedacht. WIR haben gemacht was wir wollten. Natürlich hat man eine Verantwortung für seine Karriere, wenn man ein Publikum hat und an Festivals spielt oder Interviews gibt. Aber wenn man darüber nachdenkt, was andere Leute von dir halten und denken werden, dann ist man als Künstler tot.
Vielerorts geht es momentan um Abgrenzung und Schutz der eigenen Einheit. Kann eine neue Musik-Kreation wie Post-Flamenco-Rock dagegen anstehen und versuchen, unsere Länder und Leute wieder etwas mehr zusammenzubringen? Kann eine solche Musik für Toleranz stehen?
Das Leben ist breit und ohne Limit. Es gibt keine Zölle, es gibt keine Grenzen.
Die ssche Sprache lebt von grossen Emotionen und starkem Ausdruck. Glaubt ihr, die Bedeutung der Lieder und Texte transportiert sich auch, wenn man Spanisch nicht versteht?
Natürlich, wir sind ein Land mit warmen Herzen und nicht viel Vernunft, haha. Aber ich mag dies. Gerne würde ich aber die Texte übersetzen und ins Internet stellen, fand dazu aber leider noch nicht genügend Zeit.
Und etwas einfacher: Sind weitere solche Alben geplant?
Die nächsten Schritte sind Aufnahmen neuer Alben von Niño de Elche und Toundra. Was danach kommt, weiss niemand. Ich bevorzuge es, nicht zu viel an die Zukunft zu denken. 🙂
Danke für das Interview.
Interview: Michael Bohli