Datum: 24. April 2012
Ort: Hallenstadion – Zürich
Geschrieben von: Dennis Bäsecke
Im Gespräch mit: Helena und Viola von Eklipse
Nachdem Eklipse den Abend stilvoll eröffnet haben, bahne ich mir einen Weg durch das Publikum, das nun in spürbar froher Erwartung der Hauptband Nightwish entgegenfiebert, in den Backstage-Bereich des Hallenstadions. Unterwegs begegnen mir zwei gut gelaunte Musik-Studenten des Konservatoriums. Irgendwie scheint das Aufeinadertreffen von klassischer Musik und Rock/Pop-Kultur heute in der Luft zu liegen. Das ist ja auch eines der Kernelemente bei Eklipse. Quasi frisch von der Bühne kommen Viola (Bratsche) und Helena (Cello) von Eklipse, die ich nun zu einem kleinen Plausch treffe.
Dennis: Wie und wo ist die Idee zu Eklipse entstanden?
Viola: Wir sind uns auf einem Festival in Russland über den Weg gelaufen. Die Idee des Projektes hängt ganz eng mit unseren musikalischen Vorlieben zusammen. Wir haben zwar alle einen klassischen Background, schon wegen unserer Instrumente, sind aber auch grosse Fans aktueller Musik. So entstand der Gedanke, beides in einem Projekt zu vereinen. Da war Eklipse geboren.
Dennis: Ihr habt ja jetzt schon ein paar Mal vor Nightwish gespielt und der eine oder andere im Publikum hat vielleicht noch nichts von euch gehört und ist überrascht. Wie sind die Reaktionen?
Viola: Wir sind überrascht, wie positiv die Reaktionen des Publikums sind. Wir sind uns bewusst, dass die Musik anders ist, als das was Nightwish macht. Aber eine Parallele hat es ja schon: Da gibt es viele orchestrale Elemente und Streichersätze in der Musik. Das ist wahrscheinlich der gemeinsame Nenner, wegen dem uns die Nightwish-Fans grösstenteils sehr begeistert aufnehmen und sich darüber freuen, so etwas am Abend als Opener zu hören.
Dennis: Genau; die Verbindung von klassischer Musik mit nicht klassischer. War es deshalb ein spezieller Wunsch von euch mit Nightwish zu touren?
Helena: Ich glaube das ist generell für viele Bands ein Wunsch (lacht). Wir sind echt erstaunt und ganz, ganz froh, dass das geklappt hat! Zwei Vorbands; und man ist eine davon…
Viola: …das ist schon `ne Hausnummer.
Dennis: Wie wählt ihr eure Stücke aus und wie ist der Weg von der ersten Idee bis zur Version auf dem Album?
Helena: Nach Gefallen suchen wir die aus und auch, wie sie funktionieren. Denn nicht alles funktioniert.
Viola: Wir sammeln Ideen und probieren aus. Songs, die uns etwas bedeuten oder einfach interessant sind, weil sie eine Herausforderung für das Arrangement sind. Eine Nummer von Justin Timberlake als Streicher zu spielen, erfordert natürlich eine ganz andere Herangehensweise, als Film-Soundtracks, die insgesamt schon ein bisschen orchesterlastiger sind. Wir probieren einfach aus und jeder hat seine Aufgaben in der Band gefunden. So können wir die Ideen direkt umsetzen.
Dennis: Das heisst, die Arrangements erarbeitet ihr gemeinsam?
Viola: Ja, genau. Entweder ist das Gefühl des Songs noch da – vielleicht sogar auf eine andere Art stärker als vorher – oder es war halt doch ne blöde Idee.
Dennis: Habt ihr selbst einen Favoriten auf „A Night In Strings“?
Helena: Bei mir ist das „Wonderful Life“. Der ist, glaub ich, geglückt. Unsere Version unterscheidet sich sehr vom Original. Aber es macht grossen Spass, sie zu spielen – und zu hören!
Dennis: Und wie ist das beim Publikum?
Viola: Speziell beim Nightwish-Publikum ist die Linkin Park-Nummer sehr beliebt. Die ist ein bisschen monströser. Mit sehr vielen Sounds und Percussion. Das hat viel Energie und macht mir selbst auch sehr viel Spass. Da hat man ein bisschen mehr das Band-Feeling und nicht so sehr das Streichquartett-Feeling.
Dennis: Stichwort: Streichquartett. Im Gegensatz zu Formationen wie Apocalyptica, spielt ihr ja in der wohl am meisten traditionell verankerten Besetzung. Seht ihr euch selbst in dieser Tradition – Praktisch in den Fussstapfen der klassischen Quartette?
Helena: Rein von der stimmtechnischen Funktionalität her, würde ich schon sagen, dass wir ein Streichquartett im klassischen Sinne sind. Allerdings haben wir das nie so gesehen. Wir wollen kein klassisches Streichquartett sein, das Pop-Songs spielt, sondern WIR spielen Pop-Songs. Das kann man mit einem klassischen Quartett nicht vergleichen. Wollen wir auch gar nicht. Aber natürlich war auch die Kombination der Instrumente bei der Geburt von Eklipse ausschlaggebend. Und die Dynamik in einem solchen Ensemble funktioniert einfach sehr gut.
Dennis: Gibt es für euch eine Grenze zwischen klassischer Musik und „nicht klassischer Musik“?
Helena: Für mich persönlich nicht. Trotzdem nimmt man sie natürlich wahr, wenn man in beiden Welten unterwegs ist. Da fehlt oftmals leider von beiden Seiten die Akzeptanz für das Gegenüber. Aber für mich sind Pop-Musiker genauso Musiker, wie Klassiker. Das Training ist genauso hart und genauso schön. Ob nun jemand Musikwissenschaften studiert hat, eine klassische Ausbildung durchlaufen hat, oder kompletter Autodidakt ist, ist doch egal. Die „Funktion“ und das, was berührt, ist das gleiche.
Viola: Solche Grenzen schränken doch total ein. Gerade das Vermischen von Musikstilistiken ist doch interessant. Deshalb war ich auch schon immer so begeistert von Nightwish, die ja wirklich viel Orchester und klassische Elemente verwenden und trotzdem auch die Metal-Gitarre. Es ist doch schön, wenn man da mittlerweile über den Tellerrand schauen kann und Musik einfach als Musik sieht. Da hat die Klassik von vor dreihundert Jahren genauso ihren Platz, wie Electro.
Helena: Das wird in der Klassik aber auch sanfter. Also ich hab schon die Erfahrung gemacht, dass das bei Kollegen schon auf viel weniger Entsetzen stösst, als noch vor einigen Jahren. Es gibt ja auch von Sting diese Dowland-CD. Da sagen die „Klassiker“ zwar nicht: „Wow, was für eine tolle klassische CD!“ Aber es gibt sie und sie findet ihren Platz. Das Dilemma und gleichzeitig die grosse Chance unserer Generation ist, dass wir beides haben und. Und dann kann man es irgendwie verbinden. Wir suchen die neuen Wege.
Dennis: Glaubt ihr, dass man durchs Musik-Machen die Welt zu einem besseren Ort macht?
Viola: Naja; ohne Musik wäre sie jedenfalls ein viel schlechterer Ort. Es gibt doch durchaus Songs die eine ganze Generation prägen. Musik verändert doch auch die ganz persönliche Situation. Wenn es mir schlecht geht und ich eine schöne CD einlege, dann geht es mir nach einer Stunde besser. Obwohl Musik keine globalen Auswirkungen hat, so doch auf jeden einzelnen. Hmm – Ohne sollte die Welt besser nicht sein.
Dennis: Wir geht ihr mit den Menschenmengen um, die euch allabendlich gegenüberstehen?
Viola: Es gibt doch da diesen bestimmten Lichtschalter, der auf einmal das ganze Publikum erleuchtet. Der hat nach wie vor seine Wirkung auf mich. Wenn dann das Publikum immer noch weitergeht.
Helena: Ja – das ist schön, wenn diese Menge dann reagiert…
Viola: …und die ersten Reihen sieht man ja immer noch genauer. Wenn da jemand total beherzt mitsingt, das berührt einen natürlich sehr.
Helena: Ich schaue gerne direkt in die Gesichter. Und wenn sie dann lächeln und man spürt, dass sie es genau in diesem Moment geniessen, ist das sehr, sehr schön!
Dennis: Habt ihr Lampenfieber?
Viola: Eigentlich nicht. Wir haben alle schon sehr früh Konzerterfahrungen gemacht. Es ist ein schönes Kribbeln, wenn man auf die Bühne geht. Neu ist für uns der Gedanke, ob alles mit der Technik funktioniert. Das ist schon was anderes, als wenn man sich einfach an ein Klavier setzt. Da kann hier natürlich viel mehr schief gehen.
Helena: Es kommt immer auf die Menschen an. Und bei denen da draussen wissen wir einfach, die wollen uns nichts. Die meisten kennen uns nicht mal. Diese Tour ist ja unser Debut und wir haben bisher nur gute Erfahrungen gemacht. Wir gehen da raus und freuen uns auf die Leute, denn die sind immer sehr nett.
Viola: Und wenn man merkt, dass der Applaus nach dem vierten/fünften Song ein anderer ist, als nach dem ersten, dann ist das schon was.
Dennis: Wie sehen eure Pläne nach der Tour aus?
Helena: Im Sommer stehen ein paar Festivals an (Mera Luna, Amphi, WGT). Ein neues Album und vielleicht eine eigene Tour Ende des Jahres.
Viola: Das erste Album ist zwar erst seit ein paar Wochen draussen, aber wir ticken im Kopf natürlich schon weiter.
Dennis: Müsstet ihr eure Musik mit drei Worten zusammenfassen, dann…?
Beide: „Emotion“
Helena: Wenn wir beim nächsten Album durchziehen, was wir vorhaben, dann auf jeden Fall „Überraschung“…. Hm; Emotion fasst es eigentlich gut zusammen – mehr brauchen wir nicht.