10. April 2019
Im Gespräch mit: Marlon McNeill von Combineharvester.
Den Lärm, welcher bei der Musik von Combineharvester aus Basel immer mitschwingt, der ist nicht nur faszinierend, sondern auch fordernd. Zwischen brutalem Noise und komplexen Arrangements, nie genügsam aber immer aktuelle und beherrschend. Länger war es eher still um die Formation, jetzt gibt es nicht nur ein Auftritt am Czar Fest, sondern auch neues Material auf die Ohren. Das wollten wir natürlich genauer wissen und haben mit Marlon McNeill gesprochen.
Mehr Informationen zum Czar Fest, welches vom 19.-20.04.2019 in der Kaserne Basel stattfindet, findet ihr hier. Tickets gibt es bei Starticket.
Michael: „Horrible Things“ ist mehr als zwei Jahre alt. Hat sich der Titel bewahrheitet, oder ist deine Welt besser geworden?
Marlon: Die Welt ist definitiv besser geworden. Nach „Brikks“ stürzte ich in einen riesigen Schreibstau, aus dem ich mich erst wieder 2017 langsam erholte und immer noch erhole. Dass Daniel Steiner in die Band kam half sehr und brachte neue Ideen. Meine langjährigen Mitmusiker Miro Widmer und Samuel Tschudin hatten damals die Idee, ein neues Mitglied in die Band zu holen. Trotzdem brachen wir kurz darauf jegliche Aktivitäten ab, weil sich die Situation von meiner Seite aus so komplett versteifte, dass gar nichts mehr ging. Später erinnerte ich mich an den Schlüsselmoment, als ich nach Monaten wieder mal die Amps laufen liess und die Gitarre spielte, und dachte: das ist es! Das ist der Sound weswegen ich Musik mache. Alles drumherum ist nebensächlich. Danach fingen wir wieder zu proben an, schrieben zusammen an Ideen und es kamen Anfragen für Konzerte. Die Energie schwenkte langsam wieder ins Positive.
Viel Material gibt es von Combineharvester nicht, „Brikks“ ist 2014 erschienen. Wann dürfen wir neuen Liedern lauschen?
Wir haben bereits im Dachstock und am B-Sides neue Songs gespielt. Am Czar Fest gibt es ausser ein, zwei „Brikks“-Songs nur neues zu Hören. Zwischen „Some Ditty, a Mountain II“ und „Brikks“ vergingen vier Jahre, zwischen „Brikks“ und dem nächsten Album vergehen vielleicht fünf oder mehr Jahre. Das ist in Ordung, Combineharvester hat Zeit.
Zwischen wildem Noise und gediegener Gitarrenmusik bewegst du dich mit diesem Pseudonym – hilft laute Musik um mit den Schwierigkeiten im Leben klarzukommen?
Egal ob laut oder leise, die Musik in ihrer reinsten Form, also ohne kommerzielle oder sonstwie strategischen Hintergedanken, ist auf jeden Fall heilsam.
Du hast deine Lieder auch in Soloshows mit der akustischen Gitarre gespielt. Findet das Publikum so eher Zugang zu deinen Aussagen?
Ich kann nur darüber spekulieren, was das Publikum empfindet. Manchmal kann ich auch selber nur spekulieren was Combineharvester im Moment aussagen will und erfahre es erst viel später. Es gibt sicher Menschen, die eher hinhören, wenn viel Platz für die Entfaltung der Musik da ist und sich bei leisen Konzerten besser aufgehoben fühlt, als bei lauten. Andere schätzen die überwältigende Lautstärke. Die Aussage kann je nach Format unterschiedlich verstanden werden. Egal ob es laut oder leise ist, bei Combineharvester handelt es sich seit jeher um den Versuch, mit möglichst wenig möglichst viel zu sagen. Ich denke, dass jede Person aus einem Konzert mitnimmt was für sie oder ihn stimmt.
Was sollte auf dieser Welt niedergemäht werden? Oder besser, was angepflanzt?
Ganz viel Marihuana. Erst gesät, dann gemäht. Frei nach Bill Hicks.
Was erwartest du vom zweitägigen Czar Fest?
Ich habe keine Erwartungen und freue mich einfach auf die Konzerte, die Ausstellung und darauf, dass Combineharvester eingeladen wurde zu spielen.
Welchen Auftritt darf man an diesem Festival auf keinen Fall verpassen, nebst Combineharvester natürlich?
Ich freue mich auf The Young Gods und darauf, ihre neuen Songs zu hören – das neue Album habe ich noch nicht gehört. Natürlich freue ich mich darauf, unsere langjährigen Gefährten Unhold wieder zu sehen und hoffe auf die eine oder andere Überraschung, da ich zugegeben gar nicht alle kenne, die auftreten.
Die Szene pulsiert in Basel – liegt dies am pharmazeutischen Rheinwasser?
Das Wasser ist nicht schlecht, vielleicht liegt es daran. Ein Sprung ins kalte Wasser belebt auf jeden Fall.
Wie bringen wir die Leute hinter den Kulissen dazu, vom typischen Bild des Musikers (männlich, Europäer, heterosexuell) wegzukommen?
Am besten mit guten Vorbildern. Wenn heranwachsende Generationen vorgelebt kriegen, dass Aussehen, Hautfarbe, Geschlecht und alle anderen Klassifizierungsmerkmale für das Formulieren und Erreichen von Zielen keine Rolle spielen, leisten wir Gutes. Wenn es genug Vorbilder gibt, die vorleben, dass neben Männern alle anderen in Bezug auf das Musikmachen und darüber hinaus mindestens das gleiche tun können, wird sich die Szene automatisch zum Guten ändern. Es passiert grad viel diesbezüglich. Einige Festivals gehen bereits seit Jahren mit gutem Vorbild voran und buchen ein auf vielen Ebenen ein diverses Programm, gewisse ziehen nach, andere entdecken Diversität als Marketingargument und ganz andere begnügen sich mit einer konservativen Haltung. Es gibt noch viel zu tun, wie aus dem Interview mit Steff la Cheffe, Milena Pâtagonia und Jessiquoi kürzlich in der Berner Zeitung zu entnehmen war.
Wie eröffnet man dem Publikum die grosse Welt, welche aus mehr als nur den immer gleichen Spotify-Playlists besteht? Die Schweiz ist schliesslich vielfältig, divers, anders.
Es liegt in der Verantwortung des Publikums in verschiedene Richtungen hinzuhören. Was inner- und ausserhalb von Spotify möglich ist. Wer jeden Tag nur die „Coffeehouse“-Playlist hört, kriegt natürlich weniger unterschiedliches zu hören wie jemand, der zusätzlich weitere Kanäle abonniert. Es stimmt, es gibt in der Schweiz neben dem Mainstream genug andere Möglichkeiten, die es abzuklappern lohnt. Sei es Festivals wie One Of A Million, B-Sides oder Bad Bonn Kilbi und Antigel, oder dann Blogs wie Tonspuren oder Norient, die helfen, den Horizont weit zu halten. Ganz zu schweigen von den vielen Konzertveranstalter*innen und Labels, die oft mit grossem Risiko und mit viel Herzblut neue Musik und Künstler*innen einem Publikum versuchen schmackhaft zu machen.
Heuschrecken leiten das Czar Fest, welches Tier steht für Combineharvester?
Ganz klar der Mähdrescher.
Vielen Dank für deine Zeit und Musik.
Interview: Michael Bohli